Learner-centred mathematics and statistics education using netbook tablet PCs
Die Bedingungen für aktives Lernen für Mathematik- und Statistikkurse werden geschaffen, bei jedoch im Ergebnis unterschiedlich stark ausgeprägter Zusammenarbeit. Der Einfluss von Umweltvariablen kann die Wirkung des Tablets auf kollaborative Aspekte des Lernens zusätzlich moderieren.
Fragestellung | Welche Auswirkungen des Einsatzes von Tablets im Mathematik- und Statistikunterricht lassen sich beobachten? |
Gerätekategorie | Netbook-Tablet |
Institution/Fach | Universität, Mathematik und Statistik |
Methode | empirische Studie, Studenten- und Dozentenbefragung, Auswertung Videomaterial |
Einleitung
In Unterrichtseinheiten, deren Inhalt einen mathematischen Schwerpunkt hat, wird laut Studie immer mehr Wert auf die Umsetzung von schüler- bzw. studentenzentrierten Ansätzen gelegt. Die Forschungsliteratur weise darauf hin, dass die Integration von Tablets in den traditionellen „face-to-face“-Unterricht die Umsetzung dieses Ansatzes erleichtern könne. Gleichzeitig hemmten vor allem Kostenfragen bisher den extensiven Einsatz solcher digitalen Lernwerkzeuge in Lehr- und Lernkontexte. An der University of Southern Queensland, Australien, wurden zu verhältnismäßig günstigen Preisen den Studenten eines Einführungskurses für Statistik sowie eines Mathematikkurses für angehende Krankenpfleger und -schwestern, ein Netbook-Tablet für ein Semester zur Verfügung gestellt, um zu untersuchen, wie sie es zum Lernen, aber auch in ihrer Freizeit nutzen würden. Studenten sollten danach durch das Projekt vor allem zu aktiverem Lernen und zu mehr Zusammenarbeit angeregt werden. Durch den relativ günstigen Anschaffungspreis des Netbook-Tablet-Modells mussten jedoch, das wird erläutert, Abstriche bei der Prozessorgeschwindigkeit und anderen technischen Aspekten des Geräts gemacht werden.
Methode
Um den Einfluss der Tablet-Technologie auf das Lernverhalten und die Lernerfolge der Studenten zu untersuchen, wurden laut Bericht zwei Fallstudien angesetzt. Hierzu seien Studenten aufgefordert worden, an einer anonymen Anfangsbefragung teilzunehmen, regelmäßig Tagebuch über ihre Nutzung zu führen und abschließend ihre Antworten zu einer Endbefragung beizusteuern. Die Lehrpersonen hätten dann Rückmeldung zu ihrem Eindruck über die Kurse gegeben. Insgesamt seien 28 Befragungen abgeschlossen, 64 Studententagebücher eingereicht, 16 Lehrpersonal-Rückmeldungen geschrieben, zehn Kursbeobachtungen dokumentiert und Videomaterial aus den Kursen evaluiert worden.
Fallstudien
Jeweils zwölf Studenten aus einem Einführungs-Statistikkurs und einem Krankenpflege-Mathematikkurs hätten sich freiwillig gemeldet und seien den entsprechenden Tutorien zu ihrem Kurs zugewiesen worden. Sie hätten je ein Netbook-Tablet leihweise ausgehändigt bekommen, um es im gesamten Semester in den Tutorien zu verwenden. Darüber hinaus hätten sie über das Gerät frei verfügen können und seien angehalten worden, es so stark wie möglich in ihre Alltags- und Freizeitaktivitäten zu integrieren. Das durchschnittliche Alter der Studenten habe bei 28 Jahren gelegen und die Teilnehmer seien unterschiedlich geübt im Umgang mit Computertechnologie gewesen. Um zu starke Differenzen auszugleichen, wurde laut Bericht zu Beginn des Semesters ein Workshop angeboten sowie anschließend ein technischer Support auf Nachfrage.
Erste Fallstudie: Der Statistik-Einführungskurs (Erstsemester)
Die Statistikgruppe, so die Studie, hielt ihr Tutorium an Gruppentischen in einem Kursraum ab, der zusätzlich mit Whiteboards ausgestattet war. Jeder Student habe unbegrenzten Zugang zu Statistik-Software bekommen, die online auf der Webseite des Kurses zu finden gewesen sei. Bei heruntergeladenen Dokumenten aus dem Tutorium sei es dank des interaktiven Bildschirms möglich gewesen, die jeweiligen Textlücken direkt auszufüllen. Die Verbindung zu einem Projektor habe das Präsentieren von gemeinsam handschriftlich bearbeiteten Folien über das Tablet des Dozenten ermöglicht.
Zweite Fallstudie: Der Mathematikkurs für Krankenpfleger (Erstsemester)
Der Raum für dieses Tutorium war laut Studie mit fünf Projektoren ausgestattet, die Display-Inhalte auf die Wände im Raum projizierten. Dies sollte wohl vor allem der Möglichkeit dienen, die Displays der einzelnen Studenten zu zeigen und zu teilen, um durch Diskussionen über die Antworten die Zusammenarbeit und das aktive Lernen zu fördern. Der Aufbau des Kurses habe sich dahingehend verändert, dass der Dozent eher begleitend und moderierend gewirkt habe, während die Studenten vor allem untereinander die Aufgaben besprachen. Die Dynamik der verstärkten Gruppenarbeit wurde offenbar nicht explizit forciert oder gefordert, sondern entwickelte sich vielmehr von selbst aus dem gegebenen Setting heraus.
Ergebnisse
Im Hinblick auf das aktive Lernen wurde durch die Beobachtungen des Lehrpersonals festgestellt, dass die Studenten des Statistik-Tutoriums die bereitgestellte Software viel häufiger heruntergeladen und aktiver benutzt hatten als in vorangegangenen Semestern. In dem Mathematik-Tutorium sei das aktive Lernen durch die erhöhte diskursive Aktivität der Studenten gesteigert worden – die simultan verfügbaren Projektionen der Tablet-Screens hätten die gemeinsame Diskussion über richtige und falsche Antworten und die unterschiedlichen abgebildeten Herleitungswege angeregt. Auch in den Tagebüchern der Studenten habe sich die Begeisterung über das veränderte und als aktiver erlebte Lernklima gezeigt. Kritikpunkte hätten sich u. a. auf die Sensibilität des Bildschirms bezogen. Die Zusammenarbeit der Studenten untereinander habe sich in unterschiedlichem Maße gezeigt. In dem Statistikkurs sei weniger Zusammenarbeit beobachtet worden. Dies wurde in der Studie darauf zurückgeführt, dass durch die leichte Verfügbarkeit aller Kursinhalte online letztlich weniger aktive Vorbereitung für den Kurs nötig gewesen und geschehen sei, so dass die Studenten oft nicht vertraut genug mit den Inhalten gewesen seien, um diese diskutieren zu können.
In dem Mathematik-Kurs sei Zusammenarbeit jedoch in hohem Maße beobachtet worden. Die Kommilitonen hätten einander ihre Aufgabenbearbeitung auf den Tablets gezeigt und lebhaft die an die Wände projizierten Lösungswege diskutiert. Auch hätten viele Studenten ihre Scheu verloren, offen eigene Fehler zu besprechen, da die Kursgespräche auch über inkorrekte Aufgabenbearbeitung als besonders konstruktiv empfunden worden seien. Hier habe offenbar aber auch die Verfügbarkeit anderer Technologien (Whiteboard, Projektoren) zur erhöhten Kollaboration unter Studenten beigetragen.
Interessante Beobachtungen wurden ebenfalls zur Tauglichkeit der Tablet-Technologie dokumentiert. Die Studenten lobten das leichte Gewicht und den bequemen Transport all ihrer Lernmaterialen auf dem Tablet. Die Mobilität, die dadurch gewonnen wurde, habe ebenfalls die häufige Nutzung der Geräte gefördert: Viele der Studenten hätten das Tablet täglich genutzt. Ein Problem sei die eingangs erwähnte langsame Arbeitsgeschwindigkeit, die sich besonders kompromittierend auf die Multitask-Aufgaben auswirkte. Die handschriftliche Nutzung der Studenten sei von gesondertem Interesse. Einige Kursteilnehmer hätten gemeint, die Nutzung erfordere einige Übung, manche fanden den Stift zu klein. Mit fortschreitender Nutzungsdauer seien die Studenten entsprechend schneller und vertrauter im Umgang mit der Tablet-Technologie geworden.
Die Tutoren der Kurse erlebten, so die Ergebnisse, die Unterrichtszeit als anstrengend, da sie mehr Vorbereitung erforderten hätten und man sich im Verlauf der Kurse schnell mit technologische Problemen hätte befassen müssen. Dabei habe die vorherige Erfahrung mit der Technologie und die generelle Einstellung hierzu eine zentrale Rolle gespielt, ebenso der Lehrstil. Eine Herausforderung sei gewesen, die Aufmerksamkeit der Studenten in den oft verpflichtenden Kursen bei den Themen zu halten und sie gleichzeitig nicht in ihrer individuellen Freiheit in der Nutzung des Tablets einzuschränken.
In beiden Kursen habe es unterschiedliche Reaktionen auf die Technologie gegeben. In dem wenig technologisierten Raum des Statistik-Tutoriums seien die Studenten durch den Einzug des neuen Mediums und der komplizierten Inhalte teils überfordert gewesen, so dass die Zusammenarbeit wenig gesteigert worden sei. Hingegen sei der mit mehreren Screen-Projektoren technologisch besser ausgestattete Kursraum des Mathematik-Tutoriums eher für eine verstärkte Interaktivität unter den Studenten geeignet gewesen. Der „Wow-Effekt“ der Hightech-Umgebung habe ein Übriges für die verstärkte Motivation zur Teilnahme getan.
In beiden Fallstudien habe gezeigt werden können, dass erschwingliche Tablet-Netbooks eine Bereicherung des traditionellen Unterrichtsmodells sein könnten. Dennoch sei die Bedeutung von Einflüssen der Lernumgebung deutlich geworden: Ausstattung des Raumes, Interesse an den inhaltlichen Themen des Kurses, Vertrautheit mit moderner Technik etc. Für zukünftige Generationen der Tablets wird angenommen, dass zu günstigen Preisen immer leistungsfähigere Geräte erworben werden könnten. Dann würden auch 1:1-Lösungen für die ganze Universität attraktiver, die jedoch ebenfalls den entsprechenden technischen Support gewährleisten müsse.
Loch, B.; Galligan, L.; Hobohm, C. & McDonald, C. (2011). „Lerner-centred mathematics and statistics education using netbook tablet PCs“. International Journal of Mathematical Education in Science and Technology, Vol. 42, No. 7, 939 – 949.