Es ist Primarschule und alle haben während zwei Jahren Computer und Internet in der Hosentasche
Viele der gewonnenen Erkenntnisse waren überraschend positiv und zeigen, wie gut die
mobilen Kleincomputer den Unterricht im Hinblick auf unterschiedlichste Aspekte ergänzen
können und das Lernumfeld effektiver und produktiver gestalten.
Die weitere Erforschung von 1:1-Computing-Projekten ist indiziert, ebenso wie sich die zukünftige Evaluation des produktiven Potenzials vom flächendeckenden Einsatz von iPhones empfiehlt.
Fragestellung | Welche Beobachtungen können während eines Projekts mit einer 1:1-Ausstattung mit Smartphones in einer Grundschulklasse festgehalten werden? |
Gerätekategorie | iPhone |
Institution/Fach | Grundschule, fächerübergeifend |
Methode | Multimethodische empirische Studie |
Ausgangslage
Seit etwa 1995 sind laut der Studie Laptops für Schüler im Unterricht verfügbar und sogenannte 1:1-Laptop-Programme stünden seitdem im Zentrum des Interesses von Forschung und Lehrpraxis. Die kabellose Vernetzung der einzelnen Endgeräte über standardisierte WLAN und UMTS-Technologien erlaube zusätzlich Mobilität und vereinfachten Zugang zu neuen Medien, der durch die zunehmende Digitalisierung auch der außerschulischen Lebenswelten von Jugendlichen, entsprechend an Bedeutung für den schulischen Kontext gewonnen habe.
Die Autoren weisen auf die schnell voranschreitende Verbreitung von persönlichen Mobilfunktelefonen und persönlichen Computern hin und verbinden diesen Trend und dessen bereits mitgedachtes Potenzial mit der zunehmenden Leistungsfähigkeit der heute zu erschwinglichen Preisen verfügbaren Smartphones, die als mobile Kleincomputer mit Touchpad-Technologie aufgefasst werden können. Ziel der vorliegenden Untersuchung sei die Dokumentation und Evaluation eines 1:1-Smartphone Setting in einer Projektschule. Dabei könne durchaus ein Rückgriff auf bestehende verwandte 1:1-Forschungsprojekte stattfinden, so v. a. mit Laptops und Netbooks, gleichzeitig solle durch die Integration privater mobiler Kleinstgeräte der Unterricht noch effektiver gestaltet und speziell das infrastrukturelle Neuland abgesteckt und kartografiert werden.
Das iPhone-Projekt Goldau
Von August 2009 bis Juli 2011 wurden, dies wird berichtet, alle 17 Schülerinnen und Schüler einer Grundschulklasse sowie beide Lehrpersonen mit persönlichen Apple iPhones 3G ausgestattet. Durch das Setting, in dem die Schüler ihr iPhone auch täglich mit nach Hause nehmen konnten, wurde laut der Studie europaweit erstmals ein ununterbrochener Zugang zu einem mobilen Kleincomputer und dem Internet für Primarschüler realisiert, was, so die Autoren, der maximal möglichen Umsetzung eines 1:1-PC-Bereitstellungskonzeptes entspreche. Das Lernwerkzeug sollte ständig zur Verfügung stehen, um in die persönliche Lern- und Arbeitsumgebung integriert zu werden und durch den extensiven Umgang die Medienkompetenzen der Schüler zu fordern und fördern.
Forschungsaspekte
Einen Kernaspekt der vorliegenden Untersuchung stellt die Zusammenarbeit zwischen Schule und Wissenschaft dar. Schulentwicklung und Forschungsfortschritt wurden, so die Studie, integriert und als gleichberechtigt für das gemeinsame Anliegen der Weiterentwicklung verstanden.
Die Daten wurden über verschiedene Erhebungsverfahren gesammelt, u. a. durch Interviews, Fragebögen und Screenshots. Schüler, Lehrer, Eltern, Programme und Kommunikationsmuster standen im Fokus der Datenerhebung.
Erkenntnisse
Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung waren noch nicht alle Daten ausgewertet. Einige wesentlicheBeobachtungen wurden jedoch bereits festgehalten.
Dazu gehört die bestätigte Hypothese, dass (1) grundsätzlich der Unterricht nicht durch die1:1-Ausstattung mit iPhones verunmöglicht werde und das Projekt trotz entsprechenderBefürchtungen nicht vorzeitig abgebrochen werden musste.
Ebenso haben die iPhones (2) offenbar nicht alle anderen Medien und Werkzeuge verdrängtund gingen somit mehr als Ergänzung, denn als Ersatz, in die Unterrichtsgestaltung ein.Dennoch geben die Autoren zu bedenken, dass ein solcher Verdrängungseffekt erst dann sichtbarwerden könnte, wenn beispielsweise analoge Medien nicht mehr einfach nur gewohnheitsmäßigvorgezogen würden und auch mit den Apple-Geräten ein vergleichbarer Vertrautheitsgraderreicht werde.
Ein weiteres Ergebnis war den Autoren zufolge die (3) schnell nachlassende Faszination für dieneue Technik. Dies wurde von der Forschungsgruppe erwartet und war laut Studie einer derGründe für die zweijährige Projektdauer.
(4) Eine Erleichterung der Kürzestnutzung der iPhones wurde dokumentiert (z. B. Kurzrecherchebei Wikipedia), was durch den geringen Aufwand als eine weitere ernstzunehmende Einsatzmöglichkeitgesehen wurde.
Durch die 1:1-Ausstattung wurde, so der Bericht, unmittelbar die (5) Individualisierung desUnterrichts erleichtert, da die Schüler mit ihrem eigenen Endgerät ihrem eigenen Tempo undLeistungsniveau entsprechend arbeiten konnten.
Ebenfalls optimistisch stimmt die Autoren die Erkenntnis, dass (6) die iPhones auch ohne spezifischeLernprogramme oder -software im Unterricht offenbar vielseitig und sinnvoll genutztwerden konnten. Auch das ständig verfügbare Audiomaterial werde (7) besser in den Smartphone-gestützten Unterricht integriert, als in den ohne Smartphone, und fördere (8) die Chancengleichheitfür Kinder aus nicht deutsch-muttersprachlichen Elternhäusern.
Die Smartphone-Nutzung wirke sich auch auf die (9) Gestaltung des Unterrichts außerhalb desKlassenzimmers aus (z. B. fotografierten die Kinder jeweils ein Gemälde in einer gemeinsambesuchten Ausstellung und stellten dies anschließend im Klassenraum vor) und unterstütze(10) ein ganzheitliches Lernverständnis, indem es auch in der Freizeit zu Lernzwecken genutztwerde.
Die Autoren beobachteten auch (11) Fortschritte bei der individuellen Ausbildung vonMedienkompetenz der Schüler, was einen fächerübergreifenen Mehrwert in einer digitalisiertenUmwelt darstelle.
Auch die soziale Interaktion innerhalb der Klasse wurde nach den Ergebnissen gefördert, eskonnte eine (12) Zunahme der direkten Kommunikation zwischen den Schülern, aber auch mitden Lehrpersonen festgestellt werden.
Die permanente Verfügbarkeit der mobilen iPhones habe nicht zuletzt (13) die Lehrer von einigenorganisatorischen Bürden befreit, wie dem gerechten Verteilen (zu) weniger Geräte, demOrganisieren einer stabilen Internetverbindung oder dem Besetzen eines eigens dafür ausgestattetenComputerraums zu bestimmten Zeiten.
Honegger, B. & Neff, C. (2011). "Stell Dir vor es ist Primarschule und alle haben während zwei Jahren Computer undInternet in der Hosentasche". Vom 2. Workshop "Lerninfrastruktur in Schulen: 1:1-Computing".