Das Hamburger Netbook-Projekt und dessen Evaluation durch die Universität Hamburg

1:1-Computing bringt im Hinblick auf die Individualisierung viele Vorteile mit sich, die
andere Konzepte nicht haben. Zentrale Notwendigkeit von technischem Support und
medienpädagogischer Grundausbildung der Lehrkräfte.

Fragestellung Welche Konzepte sind besonders erfolgversprechend für eine Individualisierung des Unterrichts?
Gerätekategorie Netbook
Institution/Fach Weiterführende Schulen, fächerübergreifend, Klassen 6 bis 13
Methode Empirische multimethodale Projektevaluation

 

Konzept des Schulmodellversuchs Hamburger Netbook-Projekt

Im Schuljahr 2009/2010 wurden, das berichteten die Autoren, 15 weiterführenden Schulen inHamburg mit insgesamt 500 Netbooks ausgestattet. Die teilnehmenden Jahrgänge reichtenvon Klasse 6 bis 13, es waren unterschiedliche Schultypen beteiligt und verschiedene Unterrichtskonzeptezum Netbook-Einsatz wurden angewandt. Insgesamt 26 Klassen wurden in denModellversuch aufgenommen, davon wählten zwölf Klassen eine 1:1-Computing-Anwendung,in der jeder der rund 250 Schüler mit einem individuellen Gerät arbeitete, das er auch mit nachHause nehmen konnte. Die restlichen Klassen wählten, so die Studie, eine Pool-Lösung, bei derdie Schülergruppen nach Bedarf auf ein verfügbares Gerätekontingent zurückgreifen konnten.Zentraler Bezugspunkt war bei allen Implementierungsformen die pädagogische Zielsetzungdes individualisierten Unterrichts.

Das Evaluationskonzept

Ziel der Evaluation war es, methodische Möglichkeiten und Erfolgskriterien zu entwickeln, diedie Individualisierung des Unterrichts mit Hilfe der Netbooks unterstützen. Zunächst wurde, dasbeschreiben die Autoren, die Ausgangslage der Schulen und Schüler dokumentiert. Es wurden diePläne der Lehrer und deren tatsächliche Umsetzung im Unterricht erfasst, die Gelingensbedingungenuntersucht und darüber hinaus die Veränderungen bei den Schülern im Hinblick auf denMedienumgang, im Unterricht sowie beim Lernzuwachs beobachtet. Daten wurden an dreiverschiedenen Zeitpunkten über Unterrichtsbeobachtungen, Fragebögen und Interviewssowie die Auswertung von Schulmaterialien erhoben.

Gelingensbedingungen und Erfolgskriterien

Als ein wichtiges Erfolgskriterium sieht man die Bereitstellung hinreichender Ressourcen, wasin dem evaluierten Projekt offenbar größtenteils gewährleistet werden konnte. Netbooks,externe Festplatten und Software-Lizenzen wurden kostenfrei zur Verfügung gestellt, dieGeräte waren zentral versichert. Es wurden, so der Bericht, Fortbildungen angeboten und der Austausch unter den Lehrern wurde unterstützt. Es gab auch eine Ansprechperson an denSchulen, den Projektkoordinator. Dennoch erlebten wohl die meisten Lehrer die ungewohnteUnterrichtsvorbereitung als sehr zeitaufwändig, ohne dafür im Lehrplan an anderer Stelle entlastetzu werden.

Die Schulen, das beschreiben die Autoren, verfügten an sich weitgehend über einschlägige Erfahrung beim Einsatz neuer Medien wie Computer oder Internet. Schüler und Lehrer zeigtengroße Offenheit und Bereitschaft zur Integration innovativer Konzepte. Auch die Unterstützung der Elternschaft scheine sich günstig auszuwirken. Durch den Versicherungsschutz der Geräte konnte diese wohl auch in dem Hamburger Modellversuch verstärkt werden. Die Lehrkräfte zeigten sich laut dem Bericht auch den Fortbildungsangeboten gegenüber sehraufgeschlossen. Die integral notwendige technische Infrastruktur und der entsprechende Supportwaren, so die Schlussfolgerungen, in dem Projekt ausbaufähig. Besonders der fehlende oder eingeschränkte kabellose Internetzugang erschwerte die konsequente Implementierung. Auch von den passenden Unterrichtskonzepten sei der Erfolg eines solchen Projektes abhängig. Während bei den Eigenschaften des Tablets vor allem der geringe Preis überzeuge, seien laut den Ergebnissen wesentliche Kritikpunkte Prozessorgeschwindigkeit und Bildschirmgröße. Von den Implementierungskonzepten scheint der Studie zufolge die 1:1-Ausstattung das erfolgversprechendere zu sein, um eine ganzheitliche Integration neuer Medien im Unterricht zuerzielen. Etwa ein Drittel der befragten Jugendlichen gab an, dass das Netbook zu einem selbstverständlichen Gegenstand auch ihres außerschulischen Lebens geworden sei. Dies waren laut den Ergebnissen deutlich mehr, als aus der Gruppe, die die Geräte nach Unterrichtsschluss nicht weiter nutzen konnte. Auch im Unterricht erlebten die Schüler der Gruppe der 1:1-Ausstattung offenbar das Gerät als selbstverständlicher.

Ebenfalls für das 1:1-Computing spricht für die Autoren der relativ geringe organisatorische Aufwand. Die Geräte mussten, so berichten sie, nicht einzeln ausgeteilt und eingesammelt werden und die Schüler begannen bald selbstständig die Geräte einzusetzen, ohne explizit dazu aufgefordert zu werden. Anders als bei den Pool-Lösungen sei der Einsatz hier auch nicht auf bestimmte Unterrichtsstunden reduziert worden, so dass ein bedarfsorientierter, spontaner und individueller Einsatz gefördert worden sei. Das Ablenkungspotenzial der Netbooks war während des Modellversuches oft Thema. Gerade lernschwache Schüler und jene, die sich auch sonst sehr empfänglich für Ablenkungen zeigen, ließen sich offenbar durch die vielen Möglichkeiten, die ein persönliches Netbook mit Internetzugang biete, leicht vom Unterrichtsgeschehen ablenken.

Fazit

Startschwierigkeiten wurden von den Autoren besonders bei geringer Erfahrung von Schulen und Lehrern mit dem Einsatz von IKT beobachtet. Es werde deutlich, wie wichtig die grundlegende und umfassende mediendidaktische und medienpädagogische Ausbildung der Lehrer für eine erfolgreiche Implementierung von neuen Medien sei. In dem Modellversuch konnten viele gelungene Unterrichtsbeispiele beobachtet werden, doch müsse die Entwicklung geeigneter Konzepte weiter vorangetrieben werden, um die mit neuen Medien verbundenen Potenzialeausschöpfen zu können.

Müller, L. & Kammerl, R. (2011). „Das Hamburger Netbook-Projekt und dessen Evaluation durch die Universität Hamburg“.Vom 2. Workshop „Lerninfrastruktur in Schulen: 1:1-Computing“.

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
20.03.2014
Link
https://www.edugroup.at/innovation/tablets-mobiles/didaktik/aus-der-forschung/detail/das-hamburger-netbook-projekt-und-dessen-evaluation-durch-die-universitaet-hamburg.html?cHash=0e97765cc2190286b29f25e3d7e90c69&parentuid=216832
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