Kompendium Psychiatrie, Psychotherapie, Psychotherapie, psychosomatische Medizin

Rund 50 Autorinnen und Autoren haben auf 900 Seiten viel Wissenswertes über das weite Feld der Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatischen Medizin zu berichten. Dieses Feld hat sich in den letzten Jahren derart vergrößert, dass eine Überarbeitung und Erweiterung bei der 12. Auflage...

Buchtitel: Kompendium Psychiatrie, Psychotherapie, Psychotherapie, psychosomatische Medizin. Orientiert an der ICD-10
Autorinnen:
Freyberger H, Schneider W u Stieglitz R-D
Verlag:
Karger
Erschienen:
2012

... notwendig wurde, obwohl bereits die bisherige 11.Auflage eine gründliche Erneuerung bedeutete. Bei dieser bisherigen Auflage war schon eine mutige grundsätzliche Entscheidung getroffen worden, nämlich, den Diskussionen um die berechtigte oder unberechtigte Eigenständigkeit der Psychosomatischen (und auch Psychotherapeutischen) Medizin gegenüber ein Zeichen zu setzen: Die Hereinnahme eines ausgewiesenen Psychosomatikers in das Herausgeberteam.

Die 50 Kapitel sind eingebettet in 5 Teile: Grundlagen, Störungsgruppen, Therapieverfahren, Anwendungsbereiche und spezielle Aspekte. Teil A befasst sich mit allgemeinen Grundlagen der psychischen Untersuchung, Befunderhebung, Klassifikation und des diagnostischen Prozesses, der biologischen diagnostischen Verfahren und der psychologischen Diagnostik. Teil A bietet einen ausgezeichneten, detaillierten und alle relevanten Fragen im Zusammenhang beantwortenden Überblick. Hervorgehoben seien z.B. die vielfältigen Hinweise auf diagnostische Fehlerquellen.

Teil B befasst sich mit Störungsgruppen wie z.B. affektive Störungen, Angststörungen, Zwangsstörungen. Ein eigenes Kapitel stellen die psychischen Störungen des Kindes- und Jugendalters dar und ADHS im Erwachsenenalter. Teil B orientiert sich am Kapitel V der ICD 10 und hält weitgehend eine bestimmte Gliederung ein, die von der Deskription und Definition bis zur Therapie und Prognose reicht. Beispielhaft erwähnt sei Kapitel 16, das Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen Erwachsener beschreibt. Gegenüber Meinungen, persönlichkeitsgestörte Menschen seien kaum behandelbar, halten die Empfehlungen in diesem Kapitel den Umgang mit diesen Personen als herausfordernd und bewältigbar, wenn von Anfang an eine klare Festlegung von Grenzen, Struktur und Regeln erfolgt. Eine Tabelle (S 338) liefert die inhaltlichen Struktuelemente (Diagnostik, Beziehungsaufbau, Verbesserung der psychosozialen Kompetenz, Strukturierung des sozialen Umfelds, Bearbeitung dysfunktionaler Ziele oder Verhaltensmuster, Generalisierung des Elernten, Supervision des Therapeuten (letztere Empfehlung wird als besonders wichtig im therapeutischen Umgang mit diesen Störungen erachtet). Atmosphärisch wird die strikte Realisierung von Empathie, Akzeptanz, Selbsteinbringung und emotionaler Wärme empfohlen. (Hier wären einige Hinweise wertvoll, wie diese Einfühlung in die innere Welt bei dieser schwer zu behandelnden Störungsgruppe erfolgen kann, wo ja auch oft mangelnde Compliance festgestellt werden muss - S 340). Die Hinweise auf psychotherapeutische Ansätze enthalten viele Möglichkeiten der kognitiven Verhaltenstherapie und speziell auch der dialektisch-behavioralen Therapie nach Linehan.

Teil C bietet eine Auswahl therapeutischer Verfahren von der psychopharmakologischen Behandlung bis zur Soziotherapie und Psychoedukation. Ein Anliegen dabei ist die Trennung von pharmakologischen, biologischen und psychotherapeutischen Verfahren. Bei letzteren wäre eine deutliche Gliederung vorteilhaft, ev. in Form der Einteilung in tiefenpsychologische, humanistisch-existentielle, verhaltenstherapeutische und systemische Verfahren, wie dies in Österreich beim Gesundheitsressort erfolgte. Das Kapitel bietet viele Anregungen. Ein guter Überblick über neuere Ansätze gelingt im Kapitel 30, wobei relativ originäre Verfahren (wie die Hypnotherapie ) und integrative Ansätze (wie die Schematherapie) nach ihrer klinischen Effizienz ausgewählt wurden.

Teil D stellt Anwendungsbereiche vor wie etwa die Sozialpsychiatrie, forensische Psychiatrie, Gerontopsychiatrie. Auch die psychosomatische Medizin wird hier eingereiht. Im Kapitel 14 werden die psychosomatischen Störungen zwar unter nosologischem Gesichtspunkt abgehandelt,aber im Kapitel 38 geht es eigentlich weniger um eine bestimmte Anwendung wie bei bestimmten Patientengruppen (alte Menschen, Kinder und Jugendliche) oder um bestimmte Zielsetzungen (wie z.B. die gemeindenahe Versorgung), sondern eher um Grundsätzliches, wie dies im Gedanken um Ganzheitlichkeit (holistischer Ansatz), im psychogenetischen Ansatz (körperliche Erkrankungen haben seelische Ursachen) und im biopsychosozialen Modell (Zusammenspiel sozialer, physiologischer und psychologischer Komponenten) zum Vorschein kommt. "Dieses Modell überwindet die Dichotomie ´seelisch gegenüber organisch` und sieht unterschiedliche Systeme miteinander in Wechselwirkung", schreiben die Autoren (S 697). Hier wäre ein kleiner Exkurs zum Leib-Seele-Problem bzw. Gehirn-Geist-Problem wertvoll.

Teil E bringt spezielle Aspekte ein wie Fragen verlaufsrelevanter Faktoren psychischer Störungen, Rehabilitation, Suizidalität bei psychisch oder psychosomatisch erkrankten Menschen u. v. a. m. Ein Kapitel widmet sich auch dem wichtigen Anliegen der transkulturellen Psychiatrie. Hier wird eingegangen auf Migrationsbelastungen wie z.B. die Anpassungsprozesse an das neue Land. Außerdem werden kulturabhängige Verhaltensmuster und Symptomvarianten erwähnt. Probleme gibt es durch strukturelle Barrieren (unzureichende Sprachkenntnisse, Informationsdefizite etc.). Ganz wichtig sind die Ausführungen zur transkulturellen Psychiatrie und Psychotherapie, wie etwa die Berücksichtigung der kulturellen Identität, wobei es weniger um die rigide Anwendung dieses Wissens geht (weil hier auch in gleichen ethnischen Gruppen große Inhomogenität besteht, sondern mehr um das Wissen, wie sich der kulturelle Hintergrund psychosozial, psychopathologisch auswirkt. Hier besteht noch ein großer Bedarf an kulturaustausch-relevantem Wissen. Eine Tabelle auf Seite 847f fast die wichtigsten interaktionellen Herausforderungen und Handlungsstrategien zusammen.

Insgesamt liegt ein umfangreiches, sehr ansprechend gestaltetes Kompendium vor mit einer überlegten Auswahl von Themen und mit einem inhaltlichem Reichtum, der immer wieder zu diesem Buch greifen lassen wird!

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
08.01.2012
Link
https://www.edugroup.at/bildung/paedagogen-paedagoginnen/rezensionen/detail/kompendium-psychiatrie-psychotherapie-psychotherapie-psychosomatische-medizin.html
Kostenpflichtig
nein