Humor in der Behandlung von Persönlichkeitsstörungen?
Das Coverbild "Maskerade" von Karl Hofer zeigt drei Clowns, deren bunte Kleider einen starken Kontrast zu ihren ernsten Mienen und ihrer engen Haltung bilden. Thomashoff schreibt dazu:"Nicht iatrogener Lachzwang oder planmäßige Lachübungen sind hierbei gefragt, sondern ganz nah am "wirklichen"...
Buchtitel: Humor in der Behandlung von Persönlichkeitsstörungen? Persönlichkeitsstörungen Theorie und Therapie
Autorinnen: Persönlichkeitsstörungen PTT: Band 59
Verlag: Schattauer
Erschienen: Heft 3/2011
...Leben ein Erkenntnis- und Erlebensraum für sämtliche Gefühle. Dann kann echtes Lachen befreiend sein, und zugleich ist der Blick hinter die Maske auch des Traurigsten der Clowns möglich."
Das Editorial räumt mit Vorurteilen gegenüber Humor in der Therapie auf und weist in der Übersicht über die Beiträge in diesem Heft darauf hin:"Schon das Verständnis simpler Witze benötigt ein kompexes neuronales Netzwerk, fordert quasi das gesamte Gehirn" (S 157). Das klingt wie eine Entschuldigung, nämlich, dass Witze schon etwas Ernstzunehmendes sind, ist aber mit Augenzwinkern versehen und dem Wissen, dass zum Humor gehören: " eine heitere Geslassenheit, auch und gerade auch im Angesicht von Problemenm die Fähigkeit, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen, und Freude am Spiel, an Blödsinn und Komik." (Ebd.)
Wild nimmt Stellung zum Humor in der Psychiatrie und bringt vor allem bemerkenswerte Erkenntnisse über die Entsprechung zwischen den verschiedenen Facetten und Phasen der Witzrezeption und der neurologischen Aktivität bestimmter Hirnregionen. Sie weist auch darauf hin, dass Reaktionen auf Witze unterschiedlich ausfallen, wenn bestimmte psychische Erkrankungen vorliegen. Depressive z.B. sind eher lust- und witzlos unterwegs, ihre Anhedonie lässt kaum eine fröhliche Stimmung aufkommen. Demenzerkrankte haben kognitive Probleme,einen Witz zu verstehen. Bei Schizophrenen fehlt die bei vielen Witzen erforderliche Fähigkeit, sich in andere Menschen hinein zu versetzen (fehlende Mentalisierung). Kraft setzt sich mit dem Tabubegriff auseinander, Witze sind demnach "ein spielerischer Umgang mit tabuisierten Bereichen.." ( S175) Darüber hinaus genießen wir bei Witzen:"vor allem die gekonnte, elegante Form, in der dies geschieht.." (ebd.)Dabei ist aber auch die Berücksichtigung des Kontextes wichtig: Wann kann man welchen Witz erzählen? Diegelmann versteht den Humor als Ressource, die die Resilienz (seelische Widerstandskraft) stärkt. Mit Techniken Ressourcenfokussierter Und Symbolhafter Traumabearbeitung ( Akronym: TRUST) und mit dem "KRISEN.ABC" (Akronym für Keep cool, Ressourcen aktivieren, Innehalten, Sinn finden, Engagement, Neues entdecken, Aktiv werden, Bewertungen ändern, Chancen erkennen) kann der Therapeut Ressourcen aktivieren. Herbold beschreibt Humor als Leistung eines gut integrierten Selbst (S 195). Größenselbst und Allmächtiges Objekt sind die infantilen narzisstischen Positionen und Reparaturversuche , die hergestellt und dann abgelöst werden müssen durch Wahrnehmungen, die regulierbar sind. Der Humor bildet eine Brücke dazu. Fabian bezieht sich auf Borderline-Patienten. Humor stiftet Kontakt, relativiert starre Dichotomien, überwindet Konkretismen, Schuldgefühle, Perfektionismus des Patienten, sofern dieser zumindest ansatzweise über einen Humorsinn verfügt. Sachsse widmet sich der dunklen Seite des Humors, dem Galgenhumor in der Behandlung von Menschen mit komplexen Traumafolgestörungen. Der Mensch hat in prekären Situationen ein Furchtsystem, ein Bindungssystem und ein Erstarrungssystem, kann also kämpfen bzw. flüchten, oder Hilfe suchen oder erstarren. Alle drei System können überfordert werden, bzw. in existenziellen Bedrohungssituationen gleichzeitig aufgerufen werden, wobei es zu strukturellen Veränderungen im Gehirn kommt. Der Autor weist auf die heikle Abschätzung hin, wann Humor in der Therapie zur Gefahr wird, weil gerade Missbrauch oft als Spaß und Spiel getarnt wird. Schwikart fragt, ob man über den Tod lachen kann, der Witz als Schutz vor dem Unerträglichen gesehen werden kann. Er sieht im Sterben die größte Herausforderung,beschreibt, wie Kinder mit dem Tod umgehen und eine kindliche Thanatologie entwickeln. In vielen Beispielen, auch aus eigenem Erleben, vielen Zitaten, Anekdoten beschreibt der Autor Lachen und Weinen als Geschwister wie Tod und Humor. Und er führt das ironische Lachen an, das der Roman "Alle Herrlichkeit auf Erden" der chinesischen Mentalität zurechnet, ein verächtliches Lachen, " wenn eine Tragödie komisch und lächerlich geworden ist.." (S 233) Dabei ist aber nicht die Verachtung das Wesentliche, sondern die Wertschätzung leidbringender und freudebreitender Erfahrungen gleichermaßen: " Wir werden an sie denken als an Teile unseres Lebensschatzes, als vom Schicksal zugeteilt." (Ebd.) Ob man nun diese Schicksalsergebenheit teilt oder nicht, ist Ansichtssache. Das vorliegende Heft 3/2011 hat jedenfalls sich nicht gescheut, konsequent auch Grenzthemen anzugehen.
Es ist erstaunlich, wie viel Wissen und lehrreiche Anregung auf rund 70 Seiten untergebracht werden konnten - über ein Thema, bei dem wir - Patienten oder Therapeuten, oder weder noch - allemal zur eigenen Reflexion aufgefordert sind!