Handeln, Denken, Sprache
Das Buch im Überblick: Zunächst folgt ein theoretischer Teil auf die Erläuterungen zur Geschichte der handlungs- und entwicklungsorientierten Sprachtherapie. Die handlungs- und entwicklungsorientierte Sprachtherapie wird definiert, wobei zunächst genauer auf das Handeln eingegangen wird.
Buchtitel: Handeln, Denken, Sprache. Handlungs- und entwicklungsorientierte Sprachtherapie.
Autorinnen: Eichholzer M
Verlag: Huber
Erschienen: 2010
Dieses ist als zielgerichtete Tätigkeit zu verstehen und hierarchisch höher angesiedelt als die Funktionen (wie Greifen, Schlagen, Ziehen), die eine Handlung ausführen lasen. Tätigkeit ist auf einer höheren Ebene zu sehen als einzelne Aktivitäten, sie ist ein Gesamtprozess (Seite 19), in dem das Kind sich selbst und seine Aussenwelt begreift und verändert. Wichtig die Anmerkung (Seite 23), dass im Handeln auch die Lautanbahnung integriert erfolgt, weil die Welt nicht nur mit den Händen, sondern auch mit den Lippen, der Zunge erkundet wird. Im Abschnitt 2 des ersten Kapitels wird auf die Entwicklungsschritte eingegangen und zwar auf die sensomotorische Entwicklungsphase nach Piaget. Die Ausführungen zu den sechs Stadien der Intelligenzentwicklung werden unterstützt von Fotos einer Heilpädagogin, Madeleine Wolfer.
In Eichholzers Sprachtherapie dienen die sechs Phasen als Entwicklungsstand-Raster und Orientierung für Ansatz und Verlauf der Therapie (Seite 36). In jedem Stadium gibt es wichtige Hinweise auf die Grundlegung der Sprachentwicklung, z.B. die Nachahmung in der vierten Phase, die sich mehr und mehr auch auf die Lautnachahmung etc. ausweitet. Abschnitt 3 geht auf die präoperative Entwicklungsstufe ein. Diese setzt eine Bewältigung des vorangegangenen Einsatzes und Umgangs mit Symbolen voraus, wobei immer häufiger die Sprache eingesetzt wird. Eingebettet in die fortschreitende Individuation und Vertiefung der Fähigkeiten kommt es auch zu einer Entdeckung der Sprache (Seite 42) zum sprachlich sichtbar werdenden Verständnis von Situationen und Fragen. Ganz wichtig ist die im Abschnitt vier beschriebene Eigenaktivität, das Ausprobieren und Explorieren, das als wesentliche Grundlage für das Verstehen von Situationszusammenhängen und Sprachverständnis angesehen wird. Dem entspricht das wachsende Interesse an der Funktion eines Gegenstandes gegenüber der bisherigen Eigenschaftsbetrachtung.
Eichholzer teilt dazu ihre Erfahrung mit, dass Dysgrammatismus, Sprachentwicklungsstörungen und teilweise auch Stottern auf ungenügende Exploration zurückgehen. Ausprobieren ist spielerisch oder in Tätigkeiten möglich und schafft die Bedingungen für eine Eigenaktivitätserfahrung mit allen Sinnen, womit aber auch die Sprache über die Verinnerlichung als Bild oder Symbol verknüpft ist. Ohne diese Entwicklungsschritte verliert die Sprache den Weltbezug und kommunikativen Charakter. Abschnitt 5 des ersten Kapitels widmet sich dem Erwerb des Sprachverständnisses, Abschnitt 6 dem therapeutischen Verhalten. Im praktischen Teil wird die spezifische Anwendung des Konzepts für unterschiedliche Indikationen aufgezeigt., Abschnitt 2 weist auf Störungen hin, für die das Konzept nicht anwendbar ist. Abschnitt 3 beleuchtet die notwendige Infrastruktur für die therapeutische Arbeit, die weiteren Abschnitte thematisieren verschiedene Aspekte der praktischen Förderung (der Schwerpunkt liegt nicht auf der Herstellung bestimmter Produkte, sondern auf Prozessen der Veränderung durch Eigenaktivität) und auch die wichtige Rolle der Eltern.
Insgesamt ein hochinteressanter und auch überzeugender Ansatz, wobei die kleinen Falldarstellungen –möglicherweise durch die geraffte Darstellungen – wie Berichte über Wunderheilungen wirken, die überwiegend durch das Charisma der Autorin bewirkt scheinen. Zu überlegen wäre bei einer weiteren Auflage auch, ob der O-Ton (d.h. die Gesprächszitate im Schweizerdeutsch (mit anschließender syntaxkorrigierter Hochdeutsch- Übersetzung) wirklich notwendig sind, oder eine wortwörtliche Wiedergabe in Hochdeutsch nicht völlig ausreichend wäre. Eine kleine Inkonsistenz wäre auch zu bereinigen: Seite 18 besagt, dass Greifen, Schlagen, Ziehen, Loslassen und Drücken Funktionen, keine Handlungen bzw. Tätigkeiten sind. Seite 50 hingegen beschreibt Tätigkeiten als Schemata bezüglich Fassen, Greifen, Spüren, Loslassen, Schlagen, Drücken. Sind Tätigkeiten tatsächlich schematische Funktionen?
Insgesamt aber ein Denk- und Handlungsansatz in der Sprachtherapie, der neue Perspektiven eröffnet und durchaus lesenswert ist!