Empirische Methoden in der Psychologie

Das Lehrbuch ist eine in jeder Hinsicht geglückte Intention, Wissen über empirische Methoden in der Psychologie herzustellen bzw. zu ergänzen und zu vertiefen!

Buchtitel: Empirische Methoden in der Psychologie
AutorInnen: Pospeschill M
Verlag: E. Reinhardt
Erschienen: 2013

Zum Inhalt

Eine umfassende Definition, worum es in der empirischen Forschung und auch in diesem Lehrbuch geht,  wird schon im Prolog angeführt: „Empirische Forschung ist..als Erfahrungswissenschaft darauf ausgerichtet, im Fokus einer Forschungsfrage relevante Informationen zu generieren, zu strukturieren, systematisch auszuwerten, zueinander in Beziehung zu setzen und schließlich unter Anwendung von Theorien zu interpretieren ,, zu bewerten und in den Forschungskontext  einzuordnen.“ Die einzelnen Kapitelüberschriften zeigen, wie systematisch das Buch durchkonstruiert ist:

 

  1. Methoden, Methodologie, Empirie 
  2. Forschungsprozess
  3. Evaluation 
  4. Methoden der Datenerhebung 
  5. Hypothesengenerierende Untersuchungsformen
  6. Populationsbeschreibende Untersuchungsformen 
  7. Hypothesenprüfende Untersuchungsformen 
  8. Einzelfallprüfende Untersuchungsformen und
  9. Besondere Probleme und Herausforderungen (dieses Kapitel enthält u.a. die Zusammenfassung statistischer Einzelentscheidungen (Seite 250ff).

 

Einige „Leckerbissen“ aus dem Werk, beispielhaft angeführt:

Auf Seite 18f wird ein differenzierter Überblick über alle Arten von Variablen (= Menge der Merkmalsausprägungen) geleistet: Es gibt abhängige, unabhängige Variablen, Moderator-, Mediator,   Kontroll-, Stör-Variablen, stetige oder diskrete, dichotome oder polytome, manifeste oder latente, exogene oder endogene Variablen,  Indikator- und Residualvariablen.

Auf Seite 28f wird der Werturteilsstreit erwähnt. Wertungen liegen vor durch den selektiv bestimmten Entdeckungszusammenhang; der Begründungszusammenhang sollte möglichst wertfrei bleiben und auch der Verwertungszusammenhang sollte sich auf Seins-Aussagen beziehen und nicht auf Sollens-Aussagen.

Auf Seite 87 erfährt man, dass die Kinderserie „Sesamstraße“ ein Beispiel für eine schlechte Ausschöpfungsqualität darstellt. Unter dieser versteht man das Ausmaß, in dem eine Maßnahme die Zielpopulation erreicht ( die „Sesamstraße“ feiert ihre Erfolge bei normalentwickelten Kindern, war aber für geistig und sozial retardierte konzipiert).

Ein weiteres Beispiel für die Differenziertheit der Darbietung bietet die Übersicht über die Ratingskalen (Rating als subjektive Einschätzungen, die auf einer Beurteilungsskala festgehalten werden): Es gibt unforcierte, forcierte, unipolar gestufe, bipolar gestufte, balancierte, unbalancierte, numerische und verbal-numerische Ratingskalen (Seite106).

Recht wertvoll ist die Auflistung von Befragungsarten für jeden, der eine Befragung durchführen möchte und überlegt, welche Fragen er stellen wird: offene Fragen, subjektive Erfahrungen, typische Erfahrungsgestalten (Ereignisse, typische Beziehungen, Alltagstheorien usw.).  Das Setting ist ebenfalls eine wichtige Entscheidung: Einzelbefragung oder Gruppenbefragung. Weiter gibt es verschiedene Arten und Techniken der qualitativen Beobachtung (Seite 130f).

Auf Seite 179 werden Probleme bei der Interpretation von Veränderungswerten angeführt: z.B. das Physikalismus-Subjektivismus-Dilemma. Dieses besagt, dass numerisch identische Veränderungen auf einem Merkmalskontinuum nicht unbedingt als gleich bedeutend erlebt werden, z.B. die Leistungssteigerung von 10  IQ-Punkten bei  sehr niedriger oder sehr hoher Intelligenz.

Für experimentelle Untersuchungen sind Zufallsziehungen und Zufallszuweisungen notwendig. Diese Randomsierungstechniken werden anschaulich demonstriert am Beispiel vom „Lady Tasting Tea Experiment“, wobei es darum geht, ob die Lady erkennt, bei  welchen von 8 Teetassen zuerst Milch eingefüllt wurde und bei welchen nicht. Die Kombinationen bzw. Permutationen der Teetassen hilft bei der Gewinnung statistisch relevanter Prüfgrößen.

Ein abschließendes Beispiel  für die Fülle von Informationen ist der Überblick auf Seite 222ff über klinische Designs, d.h. typische Untersuchungspläne für die Effektivität einer Behandlung.

Neben diesen eher anekdotisch aneinandergereihten Beispielen gibt es natürlich auch methodische „highlights“: Z.B: die visual inspection der sich verändernden Rohdaten, diese erübrigt eine Inferenzstatistik, sondern genügt, um eine systematische Veränderung der Verhaltensvariablen unter dem Einfluss der experimentellen Variable nachzuweisen. (Seite 202).

Ein anderes Beispiel bietet die bootstrap-Methode (Methode zur Schätzung von Standardfehlern, Vertrauensintervallen etc.). Wenn bei kleinen Stichproben Tests nicht angewendet werden können, da die entsprechende Wahrscheinlichkeitsverteilung nicht ausreichend approximiert wird,  wird  eine simulierte Prüfverteilung aus den empirischen Daten selbst erzeugt.

Interessant auch die Strukturanalyse, die aus Texten, Kulturerzeugnissen oder anderen menschlichen Spuren visuelle Darstellungen der Rekonstruktionen schafft. (Seite 142f).

Viele Tabellen, Übersichten, Randspalten-Piktogramme (die  auf Definitionen, kritische Anmerkungen, Fallbeispiele und Übungsfragen hinweisen) intensivieren den Lerneffekt.

Ein Buch kann qualitativ und quantitativ überfordern, ersteres, wenn die neue Information auf Vorwissen aufbaut, das beim Leser nicht vorhanden ist, zweites, wenn die Informationsmenge die Aufnahmekapazität übersteigt. Beides braucht der Leser dieses Lehrbuchs nicht zu befürchten: das Buch bringt den doppelten Balanceakt zustande: Information „ab ovo“ zu geben und das immer in einer verträglichen Dosierung!  Das Lehrbuch ist eine in jeder Hinsicht geglückte Intention, Wissen über empirische Methoden in der Psychologie herzustellen bzw. zu ergänzen und zu vertiefen! 

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
04.11.2013
Link
https://www.edugroup.at/bildung/paedagogen-paedagoginnen/rezensionen/detail/empirische-methoden-in-der-psychologie.html
Kostenpflichtig
nein