Bindung und Autonomie in der frühen Kindheit
Das Buch vermittelt neue theoretische und praktische Erkenntnisse.
Henzinger U (2017): Bindung und Autonomie in der frühen Kindheit. Humanethologische Perspektiven für Bindungstheorie und klinische Praxis. Gießen: Psychosozial Verlag.
Zum Inhalt
Die Autorin hat Pädagogik studiert und ist Humanethologin und EEH-Fachberaterin.Von ihr sind etliche Initiativen ausgegangen. Z.B. die Leitung von Teams für ambulante Familienbegleitung. Diese bindungs-unterstützenden Maßnahmen sind ein Charakteristikum des 462 Seiten starken, informationsdichten Buches: Henzinger untersucht das interaktive Verhalten von Kindern in den ersten vier Lebensjahren, belässt es aber bei dieser Bestandsaufnahme nicht, sondern schlägt eine Brücke zum praktischen Einsatz der Erkenntnisse in der Arbeit mit Eltern und Kleinkindern.
Das Buch besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil beleuchtet das Eltern-Kind-Verhalten aus evolutionärer Perspektive und bringt interessante Einblicke in die Forschungsmethoden der Humanethologie: Beobachten, Dokumentieren, Beschreiben in der Feldforschung seien es traditionale Kulturen oder traditionale Eltern-Kind-Gruppen; Vergleichen z.B. von Tier und Mensch; Fragen etwa nach der Stammesgeschichte, nach Ursachen etc.
Ein weiteres Kapitel widmet sich dem Thema Natur und Kultur in der Eltern-Kind-Beziehung.
Teil 2 befasst sich mit dem frühkindlichen Interaktionsverhalten: Beginnend mit der Darstellung der Bindungstheorie und dem Zürcher Modell von Bischof sowie mit Ergebnissen der Feldforschung zum spontanen Sozialverhalten (hier detailliert angeführt die Nähe-Distanz-Regelung in den Altersstufen von der Geburt bis zum Lebensalter von mindestens vier Jahren).
Faszinierend ist die Schilderung der Einübung von wohltuendem Verhalten: Im Spiel (hier mit den Differenzierungshinweisen auf Themen wie „Wie weit darf ich gehen?“, „Was denken die anderen?“, „Mit dir zusammen“ u. v. a. m.), im Lernen aufgrund von Herausforderungen z.B.in der Trotzphase oder in der Nachahmung des Verhaltens von Geschwistern und anderen Kindern.
Das Buch enthält viele anschauliche Fallbeispiele, aber auch Zusammenfassungen der wesentlichen Erkenntnisse und Aussagen. Die Autorin schafft es trotz der schon sehr umfangreichen Literatur zur Bindung und Autonomie durch einen originellen Zugang viel Neues zu vermitteln.
Das Buch von Henzinger stellt eine Bereicherung im theoretischen und praktischen Bereich dar. Es kann allen beruflich mit der frühkindlichen Interaktion befassten Personen, aber auch interessierten Leserinnen und Lesern ans Herz gelegt werden!