Amoklauf und School Shooting

Auf knapp 121 Seiten erfährt der Leser alles, was notwendig ist, um ein außerordentliches Phänomen zu begreifen, einzuordnen und von seinen Konsequenzen her zu beurteilen; Zunächst werden die Begriffe geklärt: Vom allgemeinen Phänomen "Amok" wird die konkrete Tat, der Amoklauf unterschieden.

Buchtitel: Amoklauf und School Shooting. Bedeutung, Hintergründe und Prävention.
Autorinnen: Scheithauer H u Bondü R
Verlag: Vandenhoeck & Ruprecht
Erschienen: 2011

Abbildung 1 (S 24)führt unterschiedliche Formen der Mehrfachtötung an. Der Amok gehört zu den Massenmorden. Eine Subkategorie davon sind die Amoktaten, die sich wieder unterteilen lassen in den "klassischen" Amoklauf (Mehrfachtötung an öffentlichem Platz mit scheinbarer Wahllosigkeit), workplace violence (schwere Gewalt am Arbeitsplatz) und school shooting (als Tötungsabsicht und -handlung eines ehemaligen Schülers an seiner Schule gegenüber bestimmten schulisch assoziierten und ausgewählten Personen(-gruppen)). In der Begriffsrercherche wird (S 22)Massenmord bei einer Anzahl von mehr als drei Toten konstatiert.Quantitative Kriterien haben bei vielen Definitionen ihren Wert. Diese von Douglas et al. zur crime classification angegebene Maßzahl erscheint aber als willkürliche Festsetzung. Gründe für diese Markierung werden nämlich nicht angeführt. Der Begriff school shooting verwendet dieses quantitative Kriterium zum Glück nicht.

Die Autoren bringen die Diskussion ein, ob Amok als ein kulturgebundenes oder kulturübergreifendes Phänomen bewertet werden sollte (S 19f), allgemein auftretende Eigenschaften lassen eher die letztere Version als plausibel erscheinen. Ein Abschnitt befasst sich mit Statistiken zu Amokläufen und School shootings in Deutschland und zeigt, dass es sich um ein seltenes Ereignis handelt (etwa bis zwei Amoktaten pro Jahr, wobei das Verhältnis der Täterschaft von Männern zu Frauen ungefähr 15 :1 beträgt). Das Buch setzt sich mit allen möglichen Hintergründen der Gewalthandlungen auseinander; Geschlecht, Alter, soziale und familäre Umstände, psychologische Hintergründe, Nachahmungseffekte, individuelle Bedingungen und Auslöser, Tatplanungen und dem sogenannten Leaking auseinander (jenes bezeichnet das Durchsickern-Lassen der Tatabsicht durch den Täter wie z.B. neben spezifischen Ankündigungen exzessives Interesse an Waffen, Kriegen, Gewaltdarstellungen in Medien. Phasenmodelle zum Tatablauf sind noch nicht wissenschaftlich gesichert. Die Autoren referieren auch über die Erforschung von Zusammenhängen wie z.B. eine reduzierte Funktion im Serotoninsystem in Verbindung mit impulsiver Gewalt. Aber die Forschungsergebnisse sind sehr uneinheitlich. Auf Seite 83 bringen die Autoren eine übersichtliche Darstellung der Erklärungsansätze : Biopsychologische, psychosoziale und strukturelle (gemeint sind die Rahmenbedingungen) Risikofaktoren. Eine bestimmte Persönlichkeitsstruktur bedingt die unterschiedliche Verarbeitung von psychosozialen Kränkungen und führt in bestimmten Fällen zu Tatplanung und - ausführung. Sehr viele Anregungen gibt das Kapitel über die Präventionsansätze, sehr wertvoll sind z.B. die 12 Leitfragen der Bedrohungsanalyse (S100f), mit der die vorliegenden Risikofaktoren abgeschätzt werden können. Die Autoren überlegen auch Maßnahmen gegen negative psychische Konsequenzen wie etwas posttraumatische Belastungsstörungen. Sie führen auch die Schwierigkeiten der Kontrolle von (illegalem) Waffenbesitz (bzw. Waffenverwendung) an und nennen die problematische Seite von Gewaltdarstellungen in den Medien (wie z.B. Desensibilisierung gegenüber Gewalt), auch wenn diese allein nicht ausreichen, um Gewalthandlungen zu erklären.

Das Buch informiert kompakt, umfassend und konkret über ein schwer fassbares Phänomen und bringt dem fachkundigen und dem nur interessierten Leser auf jeden Fall einen Einsichtsgewinn!

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
12.06.2011
Link
https://www.edugroup.at/bildung/paedagogen-paedagoginnen/rezensionen/detail/amoklauf-und-school-shooting.html
Kostenpflichtig
nein