Allgemeine Pädagogik
Ein kraftvolles, kompaktes Informationspaket! Die Durchstrukturierung macht die Inhalte zugänglicher, die vielen Beispiele veranschaulichen das Mitgeteilte und die Übungsbeispiele lösen einen interaktiven Prozess mit der Lektüre aus. Eine überzeugende Einladung, der Pädagogik näher zu kommen!
Buchtitel: Allgemeine Pädagogik
Reihe: UTB basics
AutorInnen: Stein M
Verlag: E. Reinhardt
Erschienen: 2013, 2.überarbeitete Auflage
Zum Inhalt
Das Buch ist ein Paradebeispiel für eine anregende und zum Lesen motivierende Gliederung. Da gibt es zunächst jeweils einen Überblick, dann eine Definition, Beispiele, Abbildungen, Tabellen, Merksätze, Zusammenfassungen und Übungsaufgaben!
Das Buch weist aber nicht nur eine gute Binnengliederung der einzelnen Kapitel auf, sondern insgesamt einen systematischen Aufbau: Das 1. Kapitel führt in die Pädagogik ein und erwähnt die vier Säulen der Pädagogik -Sozialisation, Erziehung, Bildung und Lernen , womit auch gleich die Themenstellungen der Kapitel 2 bis 5 angekündigt werden. Kapitel 6 fokussiert Kinder und Jugendliche als Adressaten von Erziehung und Bildung, Kapitel 7 demonstriert die Bedeutung der Pädagogik für alle Lebensstufen von der Elementarpädagogik bis zur Geragogik. Das letzte Kapitel befasst sich mit den wichtigsten, für die Pädagogik relevanten Forschungsmethoden.
In der Einführung werden die Subdisziplinen (z.B. Berufspädagogik), die Fachrichtungen (z.B. Freizeitpädagogik), die Praxisfelder (z.B. Friedenserziehung) und die die Bezugswissenschaften (z.B. Entwicklungspsychologie) tabellarisch angeführt. Ebenso werden die unterschiedlichen Menschenbilder, pädagogische Aufgaben und wissenschaftstheoretischen Schulen der Pädagogik angeführt. Im Bereich Bezugswissenschaften wären ausführliche Angaben zu den Nachbardisziplinen wertvoll. Denn aus der Beschreibung der angrenzenden, sich mit dem Menschen befassenden, Wissenschaften ergibt sich eine Außen-Definition der Pädagogik. Und außerdem ist heute keine Wissenschaftsdisziplin bei komplexen Problemen auf sich selbst zurück geworfen.
Das zweite Kapitel schildert die Sozialisationsinstanzen Familie, Schule und Beruf, bringt den Anlage-Umwelt-Diskurs ein und die Sozialisationstheorien Struktur-funktionale Theorie, Symbolischer Interaktionismus und Ökologische Systemtheorie, mit anderen Worten: das Hineinwachsen in feste Rollen, die aktive Aushandlung von Rollen und die Wechselwirkungen von Teilsystemen im System Gesellschaft, wobei Globalisierung, soziale Unsicherheit und Ungleichheit in der postmodernen Gesellschaft reflektiert werden.
Kapitel 3 befasst sich mit Erziehung, ihrer Geschichte, wichtiger Pioniere, mit ihrer intentionalen (direkt beabsichtigten), funktionalen (d.h. ihre Nebeneffekte betonenden) und extensionalen (d.h. durch entsprechende Arrangements indirekt gesetzten) Impulsen. Auf Seite 56 befindet sich eine zitierte Abbildung, bei der sich eine Korrekturnotwendigkeit ergibt. Die Koordinaten Wärme und Kontrolle ergeben mit jeweils hoher und niederer Ausprägung vier Felder. Permissiv-vernachlässigender Erziehungsstil ( warm und unkontrolliert) wird gegenüber gestellt einem permissiv- laissez faire-Stil ( warm und kontrolliert). Letzterer wäre richtiger zu bezeichnen als permissiv-wohlwollender Erziehungsstil.
Kapitel 4 setzt sich mit der Bildungsaufgabe der Pädagogik auseinander. Besonders erwähnenswert ist die Kompetenzvermittlung durch die Schule und hier wiederum insbesondere die Kernkompetenzen Autonomes Handeln, Interaktiver Werkzeugeinsatz und Agieren in heterogenen Gruppen (Seite 72). Interessant auch die Ausführungen zur Schule als Wertvermittlerin und zum Schul-und Klassenklima (Seite 74 bis 83). Kapitel 5 erörtert das Thema Lernen und bringt wichtige Paradigmen des Lernens zur Sprache.
Kapitel 6 geht auf Kinder und Jugendliche ein und auf wichtige Entwicklungsfragen wie z.B. Identität, Bindung, kognitive Entwicklungsstufen. Übersichtlich wird auch auf die Moralstufen nach Kohlberg hingewiesen (Seite 125f). Allerdings fehlt die Auseinandersetzung mit Alternativen zur Kohlbergschen Theorie, die eine Höherentwicklung konstatiert, je generalisierter, prinzipieller in einem Konfliktfall entschieden wird. Eine Alternative dazu wäre z.B. der Care-Ansatz (C.Gilligan), der bewusst auf das Individuum und die einmalige Situation fokussiert, und der „männlichen“ Gerechtigkeitsmoral eine "weibliche" Fürsorgemoral entgegen stellt.
Tabelle 21 (Seite 132) und Tabelle 22 (Seite 133) sind nach Meinung des Rezensenten verzichtbar, sie unterscheiden zwischen Normalen Freizeitlern, Vielseitigen Kids und Medienkonsumenten; sie differenzieren zwischen pragmatischen Idealisten, robusten Materialisten, selbstbewussten Machern und zögerlich Unauffälligen (denen ein ausgeprägtes Werteprofil abgesprochen wird). Die Unterscheidungen überschneiden sich, die Zuordnungen sind eigenartig: So wird den Pragmatikern Mitgefühl attestiert, materialistische Interessen werden überwiegend männlichen Jugendlichen und Absolventen praktischer Schularten zugeschrieben.
Kapitel 7 geht auf die verschiedenen Lebensalter ein. Unter anderem wird auch die Gesundheit thematisiert. Auf Seite 146 findet sich ein Vergleich verschiedener Gesundheitsbegriffe. Es werden unterschieden der medizinische, homöostatische, sozialwissenschaftliche und salutogenetische Gesundheitsbegriff. Der homöostatische Gesundheitsbegriff wird in dieser Zusammenstellung von der Autorin definiert durch körperliche und soziale Leistungsfähigkeit. Die Ursache wird in Parametern gesehen, die aus dem Gleichgewicht geraten sind. Diese Definition ist nicht spezifisch für Homöostase. Leistungsfähigkeit kann auch ein Kriterium für einen an der Norm, oder an Fitness, oder an Jugendlichkeit orientierten Gesundheitsbegriff sein. Spezifischer wäre: Gesundheit im homöostatischen Sinn ist der ausgewogene, spannungsfreie seelisch-geistig-körperliche Zustand, der sich durch (das Wissen um die Fähigkeit zur) Befriedigung vitaler bzw. persönlich wichtiger Bedürfnisse ergibt.
Auf Seite 148 wird die Verhaltensprävention (Personenansatz) der Verhältnisprävention (Settingansatz) gegenüber gestellt. Bei der Verhaltensprävention wird der edukative Ansatz und der Health-Belief so angeführt, dass der edukative Ansatz als kognitive Faktenvermittlung eingeschränkter wirkt als der Health-Belief-Ansatz, der auch Motivation und Emotion mit einbeziehe.
Der Rezensent plädiert dafür, den in vielen Gesundheitsbereichen und auch in der Klinik wichtigen Begriff der (Psycho-) Edukation nicht abzumagern. Wissensvermittlung über Gesundheit und Krankheit muss wie jede andere lebenspraktische Wissensvermittlung alle Ebenen ansprechen, um wirksam und nachhaltig zu sein.
Das abschließende Kapitel referiert über Forschungsmethoden, mittels derer die Pädagogik zu ihren Erkenntnissen gelangt, und bietet einen guten Überblick.
Unbeschadet der oben angeführten beispielhaften Anmerkungen und Korrekturanregungen ist das Buch von Margit Stein ein kraftvolles, kompaktes Informationspaket! Die Durchstrukturierung macht die Inhalte zugänglicher, die vielen Beispiele veranschaulichen das Mitgeteilte und die Übungsbeispiele lösen einen interaktiven Prozess mit der Lektüre aus. Eine überzeugende Einladung, der Pädagogik näher zu kommen!