In der Ruhe liegt die Kraft - das gut geplante Konfliktgespräch
Gehen Sie mit Bewußtheit in jedes Konfliktgespräch hinein. Das setzt voraus, dass Sie sich vor jedem Gespräch Gedanken darüber machen sollten, welche Ziele Sie verfolgen und wie Sie das Gespräch führen, d.h. darauf aufbauen möchten.
In der Ruhe liegt die Kraft -
das gut geplante Konfliktgespräch
Gehen Sie mit Bewußtheit in jedes Konfliktgespräch hinein. Das
setzt voraus, dass Sie sich vor jedem Gespräch Gedanken darüber machen
sollten, welche Ziele Sie verfolgen und wie Sie das Gespräch führen,
d.h. darauf aufbauen möchten.
Versuchen Sie dabei im Vorfeld zu unterscheiden, wo im Konflikt der Zündstoff
liegt und wo der Schlüssel für eine Gemeinsamkeit mit dem Gesprächspartner
gegeben sein könnte.
Als Grundregel gilt dabei, dass nur auf der Basis von Gemeinsamkeit und Begegnung
es bei der Konfliktbewältigung möglich ist, den Zündstoff des
Konfliktes in positiven Treibstoff zu wandeln, ohne sich dabe die Finger zu
verbrennen.
Dazu ein konkretes Konfliktbeispiel:
Ein Lehrer hat die Eltern eines Kindes zu sich gebeten, das seit einigen Wochen
verhaltensauffällig ist. Der Junge - nennen wir ihn Markus - prügelt
sich seit einiger Zeit häufig mit seinen Schulkameraden und teilweise
eskalieren diese Streitigkeiten derart heftig, dass auch mal Blut fließt.
Nach Einschätzung des Klassenlehrers ist Markus der Verursacher der Auseinandersetzungen.
Alle bisherigen Gespräche mit Markus verliefen erfolglos. Er blockt ab
und mach dicht. Dessen Eltern wissen aus einem kurzen Telefonat, worum es bei
dem Gespräch mit dem Lehrer gehen wird. Zum vereinbarten Termin erscheint
der Vater von Markus.
So viel zum Szenario des anstehenden Gesprächs. Nun zu
den Gedanken darüber, „worin
der Zündstoff bestehen könnte und wo gemeinsame Interessen mit dem
Vater liegen könnten:
Zündstoff
Ein Abstempeln von Markus als verhaltensauffällig und gewaltbereit wäre
eine Schuldzuschreibung: Markus ist ein Prügelknabe! Vermutlich wird sich
der Vater schützend vor seinen Sohn stellen, die Schuldzuschreibung als
Angriff empfinden und - da er schützend vor seinem Sohn steht - den Angriff
als gegen sich gerichtet empfinden. Eine Abstempelung seines Sohnes als „gewaltbereit" wird
der Vater so hören: „Ich bin Vater eines gewaltbereiten Sohnes.
Und da ein Apfel nicht weit vom Stamm fällt, bin ich schuld!"
Gemeinsamkeit
Vater und Lehrer wollen dem Sohn helfen, der sich offenbar in Schwierigkeiten
befindet. Beide haben demnach ein ähnliches Interesse: durch gemeinsame
Maßnahmen und gegenseitige Hilfe die Situation von Markus zu verbessern.
Nachfolgend wird der Ablauf des Gesprächs skizziert, wie es in dem Falle
verlaufen könnte, dass der Zündstoff in den Vordergrund gestellt
wird:
Lehrer: „Guten Tag Herr Maier. Schön, dass Sie die Zeitfürdas
Gespräch gefunden haben. Setzen Sie sich. "
Vater: „Guten Tag. Worum geht's?"
Lehrer: „Markus macht mir Sorgen. Seit einigen Wochen provoziert er immer
wieder Prügeleien auf dem Schulhof und manchmal auch in der Klasse, die
teilweise heftig verlaufen.Anadere Eltern haben sich bereits über ihn
beschwert. Auf einen Punkt gebracht: Markus fällt d urch eine erhöhte
Gewaltbereitschaft auf, und wir müssen einfach etwas unternehmen - auch
zum Schutz anderer Kinder. "
Vater: „Moment mal, wollen Sie damit sagen, dass mein Sven ein Gewalttäter
ist? Das kann doch gar nicht sein. Mir erzählt er aber etwas ganz anderes:
Wenn mein Sohn gemobbt und gehänselt wird, dann muss er sich doch wehren.
Es ist schließlich Ihre Pficht, Aufsicht zu führen. Wenn Sie dazu
nicht in der Lage sind, mein Kindzu schützen, dann... "
Hier steigen wir aus dem Gespräch aus. Es verläuft als Frontenkrieg.
Die beiden Kontrahenten werden viel Mühe haben, ihre Schützengräben
zu verlassen, um dem Sohn zu helfen. Markus bleibt auf der Strecke.
Wie also hätte der Lehrer vermeiden können, durch Schuldzuschreibungen
und Verurteilungen den Konflikt zu verengen und den Vater zu einem Gegenangriff
zu veranlassen:
Lehrer: „Guten Tag, Herr Maier. Schön, dass Sie die Zeit für
das Gespräch gefunden haben. Setzen Sie sich. "
Vater: „Guten Tag. Zeit gefunden ist gut: Sie haben
mich herbeizitiert. Wahr-scheinlich, weil Markus angeblich wieder mal was
ausgefressen hat. "
Lehrer: "Markus hat nichts ausgefressen, aber ich mache mir Sorgen. Und
ich habe Sie zu dem Gespräch gebeten, weil ich gemeinsam mit Ihnen Hilfe
für Markus suchen möchte "
Vater: „Das sind ja ganz neue Töne von Ihnen.
Da bin ich ja mal gespannt."
Lehrer: „Ich möchte Ihnen kurz meinen Eindruck
schildern: Ich denke dass Markus in letzter Zeit nicht mehr gerne zur Schule
geht. Er kam dreimal
diese Woche erst in der dritten Stunde. "
Er hat viel Streit und viel Ärger mit seinen Kameraden
und manche dieser Konflikte enden mit einer blutigen Nase. Wenn ich die Kampfhähne
dann frage, wer angefangen hat, dann zeigt einer auf den anderen. Aber um die
Schuldfrage
geht es auch gar nicht: Ich mache mir Sorgen, weil ich ihn so gar nicht kenne.Er
ist seit vier Wochen in mindestens drei Schlägereien pro Woche verwickelt,
und ich glaube, er braucht Hilfe. Deshalb bin ich dankbar, dass Sie gekommen
sind."
Vater: „Wollen Sie sagen, dass mein Kind prügelt. Das ist doch
lächerlich. Mir erzählt er etwas ganz anderes. Markus wird gemobbt."
Lehrer: „Er hat Ihnen erzählt, dass er gemobbt
wir?'"
Vater: "Natürlich. Wenn er mit einer blutigen
Nase kommt, frage ich doch nach. Tja, und dann heult er los... "
Das Gespräch steht nach einem schweren Start auf einer gemeinsamen Basis.
Aber der „bis an die Zähne bewaffnete" Vater macht es dem Lehrer
nicht gerade leicht, den Weg der Kooperation zu beschreiten. Präventiv
startet er eine angreifende Verteidigung nach der anderen. Nur mit Hilfe einer
beharrlichen Ignoranz der Angriffe und einer fortgesetzten Kooperation kommt
der Lehrer allmählich zum Ziel: eine gemeinsame Hilfe für Markus
zu suchen.
Entscheidend für den Konfliktverlauf war neben der Artikulation des Konflikt-Interesses,
nämlich Markus helfen zu wollen, der Verzicht des Lehrers, zu Beginn des
Gesprächs eine Schuldzuschreibung an Markus vorzunehmen: Statt Markus
als Verursacher der Streits zu benennen, hat der Lehrer die Schuldfrage offen
gelassen und stattdessen von Konflikten gesprochen, in die Markus zunehmend
verwickelt ist.
Damit hat er eine wohlwollende Beschreibung vorgenommen, die
dem Vater die Möglichkeit eröffnet, sich seinerseits auf das Gespräch
einzulassen. Wenn Markus nicht angegriffen wird, muss sich der Vater auch nicht
mit einem
verteidigenden
Gegenangriff in die Schusslinie werfen ...
Aber ist der Lehrer nicht unehrlich: Er ist sich doch sicher, dass Markus
der Verursacher der Auseinandersetzungen ist.
Nein! Der Lehrer führt das Gespräch. Er geht taktisch vor. Zunächst
stellt er eine gemeinsame Basis mit dem Vater her - die Hilfe für Markus
-, dann spricht er Fakten an. Er bringt den Zündstoff in das Gespräch
erst ein, wenn er sicher ist, dass er den Vater im Boot hat und dieser schon
aus Interesse für seinen Sohn die Lunte nicht anzünden wird, die
das Boot zum Explodieren bringt.
Gegen Ende des Gesprächs redet der Lehrer Klartext:
Lehrer: „Herr Maier, vielen Dank für Ihre Offenheit. Ich denke,
mir ist jetzt einiges klarer. Das, was Sie mir erzählt haben, deckt sich
auch mit meiner Beobachtung: Markus reagiert auf die Probleme, die Sie mir
geschildert haben, mit einer großen Gereiztheit. Bei dem kleinsten Ärger
geht er an die Decke und eckt damit bei seinen Klassenkameraden an. Und dadurch
provoziert er natürlich viele Streitigkeiten, in denen er teilweise überreagiert.
Ich denke, er ist in diesen Situationen, in denen er um sich schlägt,
einfach hilflos."
Vater: „Zu Hause erlebe ich das auch manchmal ... "
Ein Gespräch zu führen heißt nicht, Tatsachen aus Angst vor
Zündstoff zu unterschlagen oder schön zu färben. Gesprächsführung
setzt aber voraus, sich darüber bewusst zu sein, dass die Benennung von
Zündstoff zu einem Zeitpunkt, da eine Gemeinsamkeit in dem Konflikt noch
nicht gegeben ist, zur Explosion und damit zur Eskalation führen kann.
TextQuelle: Angriff ist die schlechteste Verteidigung
- Der Weg zur kooperativen Konfliktbewältigung / Verlag Jungfermann
(c) Streitschule
Linz-Graz |