Kakao
- Bittersüsse Bohnen:
Weihnachtszeit
ist Schokozeit
Schokolade.
Die alltäglichste Versuchung, die es auf
der Erde gibt. Aber der Weg von der
Kakaobohne bis zur fertigen Schokolade
ist lang und für die Beschäftigten
nicht immer süß
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Von den Arbeitern in den Anbaugebieten
über den Handel und die Transportarbeiter in den
Häfen, vom Fließband in den Produktionsstätten
bis zur fertig verpackten Schokolade wenn all
das mit rechten Dingen zugehen soll, ist ein
enormes Pensum an Gewerkschaftsarbeit zu
bewältigen. Was auch in zunehmendem Maß
geschieht.
Die Problematik in den Anbaugebieten ist jener
bei anderen Rohstoffen wie Kaffee, Tee, Zucker,
Bananen oder auch Orangensaft sehr ähnlich: Hier
wie dort sind Hungerlöhne, unwürdige
Arbeitsbedingungen und Kinderarbeit an der
Tagesordnung. Ganz zu schweigen von
Sozialleistungen.
Die meisten Arbeiter auf den derzeitigen
Kakaoplantagen haben noch nie in ihrem Leben
Schokolade gegessen. Aufgrund der niedrigen
Löhne können sie sich das schlicht nicht
leisten.
Die
Regale in den Industrieländern sind prallvoll
mit Schoko-Leckereien ...
Diktat
der Multis
Hingegen wissen die Menschen in den
Industrieländern, die drei Viertel der weltweit
produzierten Schokolade verputzen, nur zu gut,
wie eben diese schmeckt. Aber kaum jemand weiß,
woher Kakao eigentlich kommt oder hat jemals
einen Kakaobaum gesehen.
Beherrscht wird die weltweite Produktion von
wenigen Konzernen, die in der ganzen Welt ein
Netz von landwirtschaftlichen Betrieben,
Plantagen, Fabriken und Handelseinrichtungen
besitzen. Diese Multis können und tun es auch
weitestgehend dem gesamten Wirtschaftszweig
ihren Willen auferlegen.
Produktivitätssteigerungen hatten und haben für
viele Arbeiter und Bauern in diesem Sektor
negative Folgen. In Europa und Amerika wurden
Mitarbeiter entlassen und diejenigen, die ihren
Job behielten, wurden höherem Druck und
schlechteren Arbeitsbedingungen ausgesetzt.
Weltweit
Kontakte knüpfen
Noch schlimmer ist die Situation für die
Arbeiter und Bauern auf der südlichen
Welthälfte. Viele Bauern mußten die
Kakaoproduktion aufgeben. Versuche,
Gewerkschaften zu gründen, werden oft brutal
niedergeschlagen. Die Arbeiter in der
Weltschokoladefabrik gemeint sind damit alle
Stufen innerhalb der Kakaokette haben kaum
oder keinen Kontakt zueinander. Sie können keine
Erfahrungen austauschen, geschweige denn
gemeinsame Strategien für bessere Arbeits- und
Lebensbedingungen formulieren. Der Ansatz für
Gewerkschaften von Kakao- und Schokoladearbeitern
ist damit klar: Es bedarf einer internationalen
Strategie, um die Interessen ihrer Mitglieder
effizient zu vertreten.
...während
ein Plantagenarbeiter noch nie das Endprodukt
seiner Arbeit gesehen hat
Internationalität
erkennen
Schritte in diese Richtung werden seit 1987 von
internationalen Gewerkschaften, darunter der
österreichischen Gewerkschaft
Agrar-Nahrung-Genuß, unternommen: Sie
entwickelten ein gemeinsames
"internationales Kakaoprogramm" und
organisieren internationale Konferenzen und
Zusammenkünfte zum Erfahrungs- und
Informationsaustausch. Auf diese Weise entstand
ein Netz zwischen Plantagenarbeitern und
Kleinbauern aus den Kakaoregionen sowie
Gewerkschaftsvertretern aus den Betrieben der
Kakaoverarbeitung und Schokoladefabriken. Diese
internationale Zusammenarbeit ist die größte
Stärke der ArbeitnehmerInnen gegenüber den
großen Schoko-Konzernen.
Viele der Beschäftigten im Kakaoanbau, in der
Kakaoverarbeitung oder Schokoladeproduktion
können sich die internationale Dimension, die
sich hinter ihren "lokalen" Problemen
verbirgt, gar nicht vorstellen. Das gleiche gilt
für die langfristige Politik der großen
multinationalen Unternehmen, die diesen Sektor
beherrschen. Um wirkungsvolle
grenzüberschreitende Gewerkschaftsstrategien
aufzubauen, müssen daher die betroffenen
ArbeitnehmerInnen zuallererst über diese Aspekte
informiert werden.
In der Folge werden direkte internationale
Kontakte zwischen örtlichen
Gewerkschaftsorganisationen, Betriebsgruppen und
Betriebsräten innerhalb der Kakaokette
aufgebaut. Ein wesentlicher Schritt für die
Entwicklung grenzüberschreitender
Solidaritätsaktionen.
Solidaritätsbekundung
Der Hut brennt nicht nur in den Anbaugebieten auf
der südlichen Welthälfte, sondern auch in den
Produktionsstätten der osteuropäischen Länder,
wo die wirtschaftliche Lage durch die
Russlandkrise sehr instabil geworden ist.
Daher sind ANG-Gewerkschafter im Rahmen des
internationalen Kakaoprogrammes Anfang November
zu Beratungen mit ihren litauischen KollegInnen
zusammengetroffen. Gemeinsam entwarfen sie
Strategien für den Fall, dass durch
Produktionseinbußen bei Firmen wie Nestlè oder
Kraft Jacobs Suchard in Polen und Litauen
Entlassungen notwendig werden oder Mitarbeiter
von einem Tag zum anderen gezwungen werden,
unbezahlten Urlaub zu nehmen.
Garoto
- ein Fallbeispiel
Das internationale Kakaoprogramm besteht seit
fünf Jahren: In der ersten Phase trugen
Gewerkschafter und Mitarbeiter anderer Vereine
Informationen zusammen und bauten Kontakte auf,
um eine ausführliche Diskussion über die
Entwicklung örtlicher wie internationaler
Gewerkschaftsstrategien zu führen.
Im Rahmen dieses Programmes pflegte die
Gewerkschaft Agrar-Nahrung-Genuß engen Kontakt
zur Belegschaftsvertretung des brasilianischen
Schoko-Unternehmens Garoto. Um sich selbst ein
Bild von den Arbeitsbedingungen zu machen,
besuchten österreichische
Betriebsratsvorsitzende der Süßwarenindustrie
die Garoto-Produktion in Brasilien. Alles schien
korrekt: Die Geschäftsführung erklärte den
österreichischen Gewerkschaftern, dass das Werk
großen Wert auf Sozialleistungen und gute
Bezahlung der Arbeiterinnen und Arbeiter lege.
Doch kaum waren die Gewerkschafter wieder
zurück, wurden sie informiert, dass
MitarbeiterInnen trotz steigender Produktivität
bei Garoto gekündigt wurden. Darüber hinaus
weigert sich Garoto trotz gestiegener Inflation
einer Lohnerhöhung zuzustimmen. Im Gegenteil:
Lohnkürzung und Sozialabbau werden in
dramatischem Ausmaß vorgenommen. Die geplante
Streichung der vor 13 (!) Jahren errungenen
Sozialleistungen würde insgesamt eine
Kaufkrafteinschränkung von mehr als einem
Drittel ausmachen. Und das bei einem Basislohn
von umgerechnet rund 3000 Schilling in einem
Land, in dem eine Tafel Schokolade fast 30
Schilling kostet!
Gerhard
Riess:
"Kakaoarbeiter
brauchen unsere Solidarität - am besten mit
Protestbriefen"
Die Gewerkschaft ANG hat daraufhin alle
Betriebsräte der österreichischen
Süßwarenindustrie über die Situation bei
Garoto informiert. Gleichzeitig schick-ten sie
einen Brief an die Geschäftsführung von Garoto,
in dem ANG-Zentralsekretär Erwin Macho und
Gruppensekretär Gerhard Riess klarstellten,
"dass wir bei Scheitern der Verhandlungen
unsere weltweiten Kontakte im
Gewerkschaftsbereich dazu nutzen werden, um auf
die unsoziale Einstellung der Firma Garoto
hinzuweisen".
Letztes
Mittel:
Streikdrohung Gleichzeitig beschlossen die
Arbeiter von Garoto gegen die Position des
Unternehmens zu streiken, falls die
Geschäftsführung tatsächlich die geplanten
Lohnstreichungen umsetzt.
"Die brasilianischen Kakaoarbeiter brauchen
jetzt dringend unsere Unterstützung",
erklärt ANG-Gewerkschafter Riess. "Die
Geschäftsführung von Garoto muss merken, dass
ihre Handlungen von Konsumenten genau beobachtet
werden und die Konsumenten auf gerechte
Arbeitsbedingungen wert legen." Daher bittet
Riess in der Sache um zahlreiche Protestbriefe.
Die Briefe können an Gruppensekretär Gerhard
Riess, Albertgasse 35, 1180 Wien, oder per Fax
01/401 49/20 gerichtet werden. Er wird sie
weiterleiten und alle Protest-Teilnehmer über
die weiteren Entwicklungen bei Garoto am
Laufenden halten.
Ärgernis:
Ersatzstoffe
Die GewerkschafterInnen sind aber nicht nur mit
schlechten Arbeitsbedingungen, sondern auch mit
Qualitätsproblemen befasst. Die Produktion
läßt sich nämlich billiger, aber zum Nachteil
der ArbeitnehmerInnen und KonsumentInnen
gestalten: England, Irland und Dänemark haben
das "Gewohnheitsrecht", bis zu fünf
Prozent der Fette in der Schokolade durch
billigere Ersatzstoffe wie etwa Palmöl zu
ersetzen. In anderen EU-Staaten ist dies nicht
erlaubt. Obwohl das Europaparlament 1985 die
Verwendung von Kakaobutter-Alternativen (KBA)
abgelehnt hat, flammt die Diskussion darüber
immer wieder auf.
Wettbewerbsverzerrung
Der Grund liegt auf der Hand: Die drei oben
genannten Länder dürfen ihre mit Ersatzstoffen
hergestellte und somit billigere Schokolade in
den übrigen EU-Ländern auf den Markt bringen.
Daraus ergibt sich eine Wettbewerbsverzerrung.
Nun könnte man annehmen, dass fünf Prozent
Ersatzstoffe nur eine vernachlässigbare Menge
ausmachen. Allerdings gilt diese
"Fünf-Prozent-Regelung" nicht nur für
den Anteil an Kakaobutter, sondern für die ganze
Schokolade. Expertenberechnungen ergaben, dass
der Einsatz von KBA langfristig einen Rückgang
der Nachfrage von rund 160.000 Tonnen Kakao
verursachen würde. Zum Vergleich: Brasilien
erntete 1998 etwa 160.000 Tonnen Kakaobohnen.
Für die Anbauländer hätte daher die mit KBA
gestreckte Schokolade katastrophale
wirtschaftliche Folgen.
Doch die wirtschaftlichen Interessen der
Großkonzerne wiegen mehr. Mitte November wurde
von der EU-Kommission der Beschluss gefasst, die
Fünf-Prozent-Regelung für
Kakaobutter-Alternativen doch zuzulassen. Dazu
Riess: "Ursprünglich wollte die Industrie
die Erlaubnis, der Schokolade bis zu 15 Prozent
Ersatzstoffe beimengen zu dürfen!
Jüngster
EU-Beschluss
Dass die Industrie letztendlich nur die
Fünf-Prozent-Regelung durchsetzen konnte, ist
auf den Druck der Gewerkschaften und anderer
Aktivisten zurückzuführen." Und noch etwas
haben die Gewerkschaften erreicht: Die Hersteller
müssen die Verwendung von
Kakaobutter-Alternativen auf ihren Produkten klar
kennzeichnen.
Riess: "Es liegt daher auch an den
Konsumenten und deren Kaufverhalten, unter
welchen Arbeitsbedingungen ihre Schokolade
hergestellt wird. Kritisches Einkaufen ist die
wirkungsvollste Waffe im Kampf um Gerechtigkeit
im Produktionsprozess."
Mitbestimmung
Der
Verein zur Förderung des fairen Handels
mit den Ländern des Südens schreibt
seit 1993 eine Erfolgsstory: Bereits ein
Jahr nach Einführung von Kaffee mit dem
TransFair-Siegel konnte das millionste
Kaffeepackerl verkauft werden. Ende '94
wurde diese Initiative auch für den
Handel mit Tee eingeführt, und seit '96
können auch Schokolade und Kakao in
ungefähr 2000 Geschäften in Österreich
gekauft werden.
Für Produkte mit dem TransFair-Siegel
gibt es klare Kriterien. Unter anderem
werden sie unter Ausschaltung lokaler
Zwischenhändler direkt bei den
Herstellern, meist kleinbäuerliche
Familienbetriebe, eingekauft. Es werden
Mindestpreise bezahlt, die deutlich über
den Börsennotierungen liegen. Für
ökologischen Anbau wird ein
zusätzlicher Preisaufschlag bezahlt.
Eine wesentliche Rahmenbedingung für das
Geschäft ist das Vorliegen
arbeitsrechtlicher Standards und
gewerkschaftlich-demokratischer
Arbeitsschutzbestimmungen bei den
Produzentenorganisationen. Alle
Rahmenbedingungen werden regelmäßig
kontrolliert.
Bessere Preise für die Produzenten sind
nicht zum Nulltarif zu haben. Aber
ethische Verantwortung bedeutet für uns
bloß einige Schilling mehr für den
Genuss hochwertiger Produkte. Den
Kleinbauernfamilien in den Anbaugebieten
hingegen bringt sie einen großen Schritt
näher zu menschenwürdigen
Lebensbedingungen.
Bezugsquellen
& Infos von TransFair,
Wipplingerstrasse 32, 1010 Wien Tel.:
(01) 533 09 56
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Multis
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Sechs Multis
beherrschen die Süßwarenindustrie. Ihr
weltweiter Marktanteil: 52 Prozent. Mitarbeiter und
Umsätze allein in der Sektion
Süßwaren:
Nestlé
AG mit Standort Schweiz. Erwirtschaftet
mit 20.000 Beschäftigten 87 Mrd.
Schilling.
Mars
US-Familienunternehmen. 9000
Beschäftigte, 78 Mrd. Schilling Umsatz.
KJS/Philip
Morris
US-Aktiengesellschaft. 19.000
Beschäftigte, 52 Mrd. Schilling Umsatz.
Cadbury
AG Großbritannien. 17.000 Beschäftigte,
35 Mrd. Schilling Umsatz.
Ferrero
Italienischer Familienbetrieb. 14.000
Beschäftigte, 52 Mrd. Schilling Umsatz.
Hershey
US-Aktiengesellschaft. 13.000
Beschäftigte, 30 Mrd. Schilling Umsatz.
Quelle:
Food World, ANG/Riess Stand: 1. Jänner
1999
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