Die Kunst ist die
eigentliche Bestimmung des Menschen (Arnold Brodkey)
Überlegungen zum Stellenwert
von Bildnerischer Erziehung als möglichem Leitgegenstand künftiger
Schulentwicklung
Michael Wimmer
Die
Welt von Kindern und Jugendlichen von heute ist eine Bilderwelt. Industrie und
Medien produzieren Bilder, Politik vermittelt sich in Bildern. Jugendkultur ist
Bilderkultur. Junge Menschen identifizieren sich mit Bildern, sie tauschen sich
mit Hilfe von Bildern aus, Bilder bestimmen ihre Gefühle, sie schaffen
Zusammenhänge bzw. Zusammengehörigkeiten. Jugendliche sind von Bildern geprägt.
Bilder sind die wichtigste Ausdrucksform, um ihre Wünsche, Hoffnungen,
Unsicherheiten, Aggressionen, Verzweiflungen zu artikulieren.
Anscheinend
völlig unbeeinflusst von diesem rasanten Wechsel der
"Weltwahrnehmung" durch die junge Generation gibt sich eine Schule,
in der die Bedeutung und der Einfluss "bildnerischer Erziehung" in
den letzten Jahren beständig abgenommen hat. Daran haben auch die Versuche,
dieses Fach mithilfe zusätzlicher Lehrplandimensionen wie "visuelle
Kommunikation" oder "Medienerziehung" attraktiver zu gestalten,
wenig bis gar nichts geändert. Dort, wo man den bildnerischen Bereich als
dynamischen Motor künftiger Schul- und Unterrichtsentwicklung vermuten würde,
mühen sich statt dessen VertreterInnen einer defensiven
Selbstverteidigungsstrategie bestenfalls um die Aufrechterhaltung des status
quo.
Für
den interessierten Beobachter tut sich da ein Widerspruch auf, der nach
Erklärung verlangt. Vielleicht repräsentiert die derzeitige Randständigkeit des
"Bildnerischen" den herrschenden Strukturkonservativismus von Schule
insgesamt, die sich dergestalt unfähig bzw. unwillig zeigt, der immer rascheren
gesellschaftlichen Entwicklung durch entsprechende inhaltliche, methodische und
organisatorische Weiterentwicklung Rechnung zu tragen?
Oder
verweigert sich die Schule in ihrem aufklärererischen Selbstverständnis, die
sie im wesentlichen mit Wortsprache und ihrer Verschriftlichung verbindet, ganz
bewusst der vermeintlichen Irrationalität der Bildervielfalt und verweigert auf
diese Art die schulische Auseinandersetzung mit der Vielfalt der Bilder?
Vielleicht
ist der Grund für die abnehmende Relevanz des Gegenstandes auch im eigenen
Selbstverständnis, das durch eine Reihe von Negativdefinitionen geprägt ist, zu
suchen.
In
den programmatischen Äußerungen der FachvertreterInnen geriert sich gerne ein
umfassender Erziehungsanspruch, der sich in bewusster Abgrenzung zu allen anderen
GegenstandsvertreterInnen als antiintellektueller Gralshüter einer
ganzheitlich-kreativen Persönlichkeitsentwicklung weiß. Mit allen Insignien des
"Gut-Menschen" ausgezeichnet, wird die übrige Unterrichtspraxis in
Pausch und Bogen der kognitiven Einseitigkeit geziehen, ohne selbst ein für
Außenstehende auch nur halbwegs klar nachvollziehbares spezifisches Lernfeld -
etwa im Bereich der Kunstvermittlung - präsentieren zu können.
Wenn
dann als Ergebnisse der konkreten Arbeit mit den SchülerInnen selbstgebastelte
Makramee-Eulen zur individuellen Behübschung entstehen, tut sich eine Kluft
zwischen diesem grandiosen Anspruch und der dann doch recht bescheidenen
Wirklichkeit auf. Daher wird die Frage immer wieder gestellt werden, wozu das
ganze überhaupt (noch) gut sein soll. Diese Frage erscheint umso einsichtiger,
als zur Zeit etwa 50% der mehr als 15jährigen SchülerInnen im berufsbildenden
Schulbereich überhaupt kein fachspezifisches bildnerisches Angebot
erhalten. Trotzdem wäre es eine
böse Unterstellung ohne jede empirische Grundlage, wenn man behauptete, dass gerade
die AbsolventInnen dieser Schulformen aufgrund mangelnder bildnerischer
Erziehung signifikante Persönlichkeitsdefizite aufweisen würden.
Trägt
das Fach "Bildnerische Erziehung" den laufenden kultur- und
bildungspolitischen Entwicklungen Rechnung?
In
den 70er Jahren, zu einem Zeitpunkt, zu dem die sogenannten "musischen
Gegenstände" noch von einer breiteren Akzeptanz ausgehen konnten, stellte
die empirische Sozialforschung der österreichischen Bevölkerung ein denkbar
schlechtes Zeugnis aus: Das "kulturelle Verhalten" sei schlecht; die
Bereitschaft, am kulturellen Leben teilzunehmen, äußerst gering. Diesem Befund
sei nur durch ein Bündel von kulturpolitischen Maßnahmen auch im Bereich der
"kulturellen Erziehung" besonders für die "Zielgruppe junge Menschen"
beizukommen. Kulturpolitische Absicht war es damals, breite, bisher
bildungsferne Bevölkerungsschichten für die aktive und passive Teilnahme am
kulturellen Leben zu gewinnen. Dies würde zur Demokratisierung der Gesellschaft
ebenso beitragen wie zu einem größeren Verständnis gegenüber dem
zeitgenössischen Kunstschaffen.
20
Jahre später fällt auf, dass sich viele der damaligen kulturpolitischen
Hoffnungen, jedenfalls fürs erste, nicht erfüllt haben. Die Bemühungen, die
österreichische Gesellschaft qua Regierungsbeschluss "von oben her"
kulturell zu erneuern, stehen angesichts des Wiederauflebens autoritärer
Strömungen ebenso erneut zur Disposition wie das zeitgenössische Kunstschaffen,
das bei weiten Teilen der
Bevölkerung nach wie vor als exklusives Minderheitenprogramm angesehen wird und
dessen Exponentinnen sich neuerdings wieder heftigen Angriffen und bereits
überwunden geglaubter Ressentiments ausgesetzt sehen.
20
Jahre später fällt auch auf, dass eine fachspezifische Diskussion über Ziele, Mittel, Erfolge bzw.
Misserfolge dieser kulturpolitischen Neuorientierung überhaupt nicht erfolgt
ist. Weil sie nichts mit dem Fach zu tun hat oder weil es Wichtigeres zu tun
gab? Die FachvertreterInnen jedenfalls haben sich damit den Luxus geleistet,
die aktuelle kulturpolitische
Entwicklung weitgehend zu ignorieren und damit für das Fach produktiv zu
machen. Diese das Fach offenbar dominierende bewahrende Haltung deckt sich mit
der Einschätzung der AutorInnen des Bandes "Kunstvermittlung - Studie zur
Ausbildung und Arbeit der Bildnerischen Erzieher in Österreich",
derzufolge das Fach "seit den Zwanzigerjahren unseres Jahrhunderts keine
grundlegende Adaptierung an die kultur- und wissenschaftshistorischen
Veränderungen mehr erfahren hat".*
Die
Stellung von zeitgenössischer Kunst hat sich in den letzten 20 Jahren zum Teil
radikal gewandelt. KünstlerInnen erproben neue Zusammenarbeitsformen im Bereich
der Wirtschaft, der Medien, im Sozialen oder im Bereich der Wissenschaft. In
der Schule tun sie sich nach wie vor besonders schwer. Auch das ein Indiz
dafür, dass die Vielschichtigkeit der
Beschäftigung mit allen Formen der zeitgenössischen Kunst von den
meisten KollegInnen bisher nicht erkannt wird, bzw. die dafür notwendigen
Sensibilität, etwa im Bereich der Lehreraus- und berufsbegleitenden
-fortbildung nicht geschaffen werden konnte* .
Viele
bildnerische ErzieherInnen sehen es nach wie vor nicht als ihre Aufgabe, einen
zeitgemäßen Unterricht mit zeitgemäßen Mitteln zu gestalten. So argumentieren
sie übereinstimmend, für zeitgenössische Kunst gäbe es zuwenig Zeit, außerdem
sei das Schülerinteresse zu gering. Die Auseinandersetzung mit etablierter
Kunst diene in erster Linie dazu, die Eigentätigkeit der SchülerInnen zu
fördern.*
Dementsprechend dominiert auch im Bildnerischen Unterricht der historisierende
Blick in eine vermeintlich bessere Vergangenheit, dorthin, wo das Gesicherte
vermutet wird.
Die
Bereitschaft vieler KünstlerInnen, mit SchülerInnen abseits des etablierten
Methodenkanons zu experimentell zu arbeiten, um auf diese Art das Interesse und
die Neugierde der SchülerInnen zu wecken, wird nur in seltenen Ausnahmefällen
angenommen. Zu sehr wird damit offenbar das tradierte Rollenverständnis der
LehrerInnen in Frage gestellt.
Diese
Verweigerung bedeutet in der Konsequenz, dass das Gros des zeitgenössischen
Kunstschaffens auch in der Schule genau in jene gesellschaftliche Randlage
gebracht wird, von wo man sie kulturpolitisch einst wegholen wollte.
KünstlerInnen finden in den Bildnerischen ErzieherInnen in der Regel nicht die
engagierten VermittlerInnen, die willens und in der Lage wären, Kunst, ihre
ganz spezifische Kunst, als Ausgangspunkt für ein motivierendes, weil
facettenreiches Lernprojekt zu
nutzen. Statt dessen bleibt die Zusammenarbeit bestenfalls punktuell und
fragmentarisch. Es dominieren auch hier Frustration und wechselseitige
Vorurteile.
Die
strukturelle Verweigerung, sich mit den aktuellen kulturpolitischen
Entwicklungen aktiv auseinander zu setzen, erhält in diesen Tagen eine
zusätzliche Dimension. Bereits seit dem Ende der 80er Jahre steht das Thema
"Schulautonomie" weit oben auf der Themenliste der
bildungspolitischen Debatte. Sehr bald schon regte sich Widerstand von seiten
der Standesvertretung der sogenannten "musischen Gegenstände", die
die Befürchtung äußerten, die Stunden würden weiter gekürzt. Diese Gegenstände,
so lautete die Forderung, bedürften eines besonderen staatlichen Schutzes
(ähnlich wie Religion), die Stundenzahl dürfte als einzige nicht angetastet
werden.
Die
VertreterInnen haben sich mit dieser Idee eines staatlichen Glassturzes nicht
durchgesetzt. Seit 1993 existieren einschlägige schulgesetzliche Regelungen,
z.b. die neuen Rahmenlehrpläne für die Mittelstufe. Sie sehen in den
Hauptschulen ebenso wie in der AHS-Unterstufe eine mögliche Reduktion der
Gesamtstundenzahl für Bildnerische Erziehung, aber auch für Musikerziehung und
Technisches/Textiles Werken um maximal eine Wochenstunde vor. Im Gegenzug kann
es ebenso zu einer möglichen Ausweitung um maximal vier Stunden kommen.
Diese
Regelung stellt an sich eine sehr gute Startvoraussetzung für beabsichtigte
Schwerpunktsetzungen im Bereich der Kunstvermittlung dar. Trotzdem kann nicht
mehr davon ausgegangen werden, dass der Staat die gesamte Legitimationsarbeit
für den Fachbereich übernimmt. Bis heute, zu Beginn 1996, stehen empirische
Untersuchungen darüber aus, in welchem Ausmaß die Chancen einer
Flexibilisierung der vorher
zentral vorgegebenen Stundentafeln vor Ort genutzt worden sind, insbesondere
welche Auswirkungen sich für die sogenannten musischen Gegenstände ergeben
haben.
Zu
erwarten ist in jedem Fall, dass sich die Frage der schulischen Autonomie, die
bislang in erster Linie auf dem Papier existiert hat, weiter zuspitzen und
damit ganz konkrete Änderungen im Schulwesen mit sich bringen wird. Dafür
sorgen schon die leeren Kassen der öffentlichen Schulerhalter. Und dazu kommt,
dass ein komplexes System wie die Schule zentral kaum mehr effektiv steuerbar
erscheint.
Kaum
ein Bildungspolitiker oder Bildungspolitikerin wird also in Zukunft daran
herumkommen, schulrelevante Entscheidungen stärker als bisher zu
dezentralisieren und damit in die Hand derer zu geben, die von den
Entscheidungen selbst betroffen sind. Das führt im Moment zu einer Reihe von
Überforderungen, Ängsten, Unsicherheiten, da und dort auch zu überzogenen Erwartungen;
das haben Veränderungen in Organisationen so an sich. Nur, die Veränderungen
werden stattfinden und sie werden auch die Zukunft der Bildnerischen Erziehung
betreffen.
Die
VertreterInnen der Bildnerischen Erziehung ebenso wie die nahezu aller anderen
Fachbereiche erfüllen mit dieser organisatorischen Neuorientierung nicht mehr
ausschließlich einen staatlichen Auftrag, der bisher als einzige Legitimation
des eigenen Tuns herhalten konnte. In dem Maße, in dem die autonome
Schulentwicklung greift, sind die KollegInnen vor Ort gefordert, neue
Begründungszusammenhänge für ihr Fach herzustellen. Schon als
Entscheidungsgrundlage für die Schulpartner bedarf es einer nachvollziehbaren
Argumentation, warum es aufgrund der besonderen Gegebenheiten sinnvoll und
gerechtfertigt sein soll, dieses Fach mehr und jenes weniger zu unterrichten.
Wir
allesamt werden besser als bisher erklären müssen, warum wir was und mit
welchen Mitteln zu welchem Zweck tun. Und da werden wir mit den hehren, aber
zunehmend hohlen Worthülsen immer weniger das Auslangen finden sondern
konkreter werden müssen.
Es
ist zu erwarten, dass sich die zentrale Schulverwaltung in Zukunft auf die
Vorgabe wesentlicher Vermittlungsinhalte, wie sie jetzt schon als sogenannte
"Kernlernstoffe" andiskutiert werden, beschränken wird. Schon ob sie
noch in der Lage sein wird, auch die anstehenden Veränderungen der überkommenen
Methodik und Didaktik, etwa in Richtung einer "Neuen Lernkultur"
durchzusetzen, erscheint nach den Erfahrungen der letzten Jahre mehr als
fraglich.
Daher
wird es weitgehend an den Akteuren vor Ort selbst liegen, welches lokale oder
regionale Profil sie der Schule zu geben beabsichtigen, welche Unterrichtsziele
sie im Detail verfolgen, dementsprechend welche Prioritäten sie setzen oder
welche Synergien in Form der Zusammenarbeit mit anderen, außerschulischen
Kultur- und/oder Bildungseinrichtungen sie zur weiteren Verbesserung des
eigenen Angebotes wählen.
Das
Fach Bildnerische Erziehung wird diese Veränderungen nur überstehen, wenn es
selbst bereit ist, sich zu verändern. Diese Veränderung bedeutet wohl in erster
Linie eine neue Bereitschaft sich einzulassen, sich einzulassen in die laufende
kultur- und bildungspolitische Diskussion, eigene Positionen zu beziehen und sich
dadurch überhaupt erst nach innen ebenso wie nach außen als kooperationsfähig
zu erweisen.
Schule
gelangt mit ihrer einseitigen kognitiven Ausrichtung an Grenzen, die wir
allerorten spüren. Nur, zu glauben, Bildnerische Erziehung könnte alleine und für
sich alle daraus resultierenden Defizite kompensieren, ohne sich dabei restlos
zu überfordern, stellt ebenso wenig eine Perspektive dar.
Wenn
es im Sinne einer neuen Lernkultur
aber gilt, in möglichst allen Fächern gleichermaßen die kognitiven,
affektiven und emotionale
Dimensionen schulischen Lernens anzusprechen, dann ergibt sich für die
Bildernischen Bereich die Notwendigkeit einer neu zu definierender
Spezifikation.
Die
wichtigste Spezifikation scheint mir in der Befähigung zur produktiven Beschäftigung mit Kunst zu liegen. In welchen
Fachbereichen sonst sollte man die Experten in Sachen schulischer
Kunstvermittlung suchen? Oder sollte man in der Kultureinrichtung Schule in
einer Anwandlung trotziger Realitätsverweigerung in Zukunft auf eine Auseinandersetzung
mit den aktuellen künstlerischen Ausdrucksformen überhaupt verzichten?
In
einer Zeit der umfassenden "Ästhetisierung" nahezu aller
Lebensbereiche, in der die Medien die Welt in Bildern täglich neu erschaffen,
käme der freiwillige Verzicht von Kunst als kritische Reflexionsform dieser
Entwicklung einer Bankrotterklärung gleich.
Gute
LehrerInnen zeichnen sich u.a. dadurch aus, dass sie ein Gespür dafür haben,
was ihren SchülerInnen wichtig ist, was sie beschäftigt.
Kunst
gehört in der Regel nicht dazu. Weil Kunst mit ihren Problemen und Hoffnungen
scheinbar nichts zu tun hat. Ist der Zusammenhang aber erst einmal hergestellt,
so vermag Kunst - oft ganz unerwartet - ganz neue fachübergreifende Bezüge
herzustellen, manches Unsagbare zumindest symbolisch auszudrücken und auch
ansonsten tabuisierte Bereiche anzusprechen.
Bildnerische
Erzieherinnen fänden ein breites Profilierungsfeld, wenn es ihnen gelänge, aus
ihrer angestammten Isolation und Verteidigungshaltung auszubrechen und ihre
professionellen Kenntnisse in der vielfältigen Anwendbarkeit von Kunst als
avancierte Lernform auch anderen Kolleginnen zur Durchführung
interdisziplinärer Projekte anzubieten. Damit schafften sie nicht nur neue,
zukunftsweisende Arbeitsformen mit den übrigen Kolleginnen sondern der gesamten
Schule auch nach außen ein unverwechselbares Profil. Solche projektorientierte
Lernformen ermöglichten auch für die SchülerInnen attraktive Formen der
Zusammenarbeit mit einzelnen KünstlerInnen und Kulturschaffenden bzw. außerschulischen
Kultur- und Kunstvermittlungseinrichtungen.
Dass
damit das, am fordistischen Modell einer rigiden und auch psychologisch völlig
willkürlichen Arbeitsteilung im 50 oder 45 Minuten-Takt angelehnte
Unterrichtszeitschema überwunden würde, erscheint mir dabei als ein
zusätzlicher, sehr positiver Effekt.
Kunst,
vor allem gute Kunst, schafft bei aller ästhetischen Qualität immer auch ein
gewisses Maß an Unsicherheit. Sie stellt liebgewordene Gewohnheiten in Frage,
sie macht neugierig und lädt so zum Überschreiten überkommener Grenzen ein. Damit steht sie in
diametralem Widerspruch zur tradierten Unbeweglichkeit von Schule. Die
Beschäftigung mit Kunst in der Schule irritiert, erzeugt Unverständnis und schafft Konfliktstoff. Diese Konflikte auszutragen ist mühsam und
dennoch für die weitere Schulentwicklung eminent notwendig.
Kaum
jemand ist heute in der Lage, das Wissen vorzugeben, dass junge Menschen in
wenigen Jahren brauchen werden, um ihr Leben sinnvoll zu gestalten. Zu lernen
gilt es heute in erster Linie, sich auf immer neue Verhältnisse einzustellen,
Unsicherheiten produktiv zu nutzen, flexibel zu agieren und neue, sinnstiftende
Zusammenhänge selbst herzustellen.
Die
alten Sicherheiten existieren nicht mehr. Wir sind mehr denn je auf uns selbst
gestellt. Eine auf alte Sicherheiten beruhende Schule hat damit ausgedient. Als
Ort der Begegnung, der lebendigen Auseinandersetzung, des Experiments und der
Erprobung hat sie noch kaum begonnen. Kunst könnte ihr dabei einen Weg weisen
und mit ihr diejenigen FachvertreterInnen, die sich der Kunst ebenso wie ihren
SchülerInnen verpflichtet fühlen. Denn bestenfalls in der Kunst ahnen wir etwas
von unser aller "eigentlicher Bestimmung".
* Goebl, Renate, u.a., Kunstvermittlung - Ein Auftrag. Studie zur Ausbildung und Arbeit der Bildnerischen Erzieher in Österreich, S 103, Wien 1994
* siehe dazu etwa die möglichenvielfältigen "Anwendungsformen" von Kunst in der Schule, wie sie Manfred Wagner verschiedentlich veröffentlicht hat. Z.B. Projekt Kunst und Schule, in: Pelinka, Peter/Thurnher, Armin, Österreich neu, S. 196ff, Wien, 1994
* Goebl, u.a., s.o. S 15