Gefühle. Die Sprache des Selbst
Der Autor entwirft ein eigenständiges Konzept, das die Leserschaft spalten wird, das aber auch auf jeden Fall viele Denkanstöße wie z.B. die konstruktive und destruktive Variante von Gefühlen bietet!
Buchtitel: Gefühle. Die Sprache des Selbst.
AutorInnen: Bergner T
Verlag: Schattauer
Erschienen: 2013
Zum Inhalt
Der Autor hat Humanmedizin studiert und seine Facharztausbildung an der Dermatologischen Universitätsklinik München absolviert, sich aber seit 1994 immer mehr auf Coaching verlegt und hierbei insbesondere Überlastungsabbau und Change-Management im Sinne einer die Person oder auch ein Unternehmen betreffenden Gesundheitsorientierung fokussiert. Bergner hat über das Arzt-Sein, die ärztliche Kommunikation und über Burnout publiziert.
Bergner entwirft ein eigenständiges Konzept: Gefühle sind Botschaften und Mitteilungsform des Selbst. Dieses wiederum wird so definiert: "Unser Selbst ist das zentrale, mittels Gefühlen arbeitende System der Individualität und Autonomie, welches für alles sorgt, das für unsere Existenz notwendig ist". (S 5). Er beschreibt Angst in ihrer wichtigen Schutzfunktion; er zeigt die drei Urängste (vor dem Tod, vor dem Liebesverlust, vor dem Versagen) auf, bringt die Grundformen der Angst, wie sie Riemann beschrieben hat; sieht in Gefühlen Marker für Ist- /Sollwert-Abweichungen. All dies und noch mehr macht den Teil A des Buches aus, Teil B beschreibt vier Stufen vom Grundgefühl Angst zu den Grundgefühlen zur Abwehr dieser Urängste (Wut, Traurigkeit etc.), um schließlich dann zu Gefühlen der Bewertung und schließlich zur Akzeptanz und Überwindung der Grundängste zu gelangen. Der Nutzen dieser Gefühlsbetrachtungen wird im Teil C in der Selbstachtung erblickt, einer Selfbalance. Dieser Abschnitt bringt Ideen zur Intuition, zu Entscheidungsfindungen, zur Grenzziehung u. v. a. m.
Die Reihe "Wissen& Leben" ist eine Reihe, "in der wissenschaftlich renommierte Autoren anspruchsvolle Themen auf unterhaltsame Weise präsentieren"(S XIV). Bergners Buch wird möglicher Weise aber die Leserschaft spalten: Seine Eigenständigkeit (viele Aussagen finden sich in diesem Buch, die in definitorischer Direktheit denkbare Zusammenhänge herstellen) werden manche Kritiker lobend hervor heben, während hingegen andere viele Aussagen möglicherweise als spekulativ ansehen werden und sich mehr Zitate aus der Fachliteratur und mehr Anbindung an wissenschaftlich gewonnene Erkenntnisse über Gefühle wünschen werden sowie eine Begründung bzw. Herleitung der Behauptungen - wie z.B. "Sehnsucht ist das Erhoffen von Glück auf der Basis von Traurigkeit", S 159, oder: "Liebe ist der Wunsch nach unverrückbarer Verbundenheit" 206. Oder:" Empathie ist die erwachsene Fähigkeit, sein Mitgefühl in einen zeitlich und inhaltlich kongruenten Kontext zu integrieren" S 344. Es finden sich aber auch einige derartige Verweise wie z.B. auf das Riemannsche Konzept der Grundformen der Angst, S 76ff oder auf Tomasellos Konzept der Veränderungsrealisisierung S 303.
Das Buch bietet auf jeden Fall viele Denkanstöße wie z.B. die konstruktive und destruktive Variante von Gefühlen! So kann Neid "eine wesentliche Motivation zur Leistung sein" (S 165). Hingegen gibt es eine destruktive, feindselige Variante: Missgunst.