Trauergruppen leiten
Betroffenen Halt und Sinn geben

Das Buch ist sorgfältig zusammengestellt, inhaltlich überlegt und praktisch umsetzbar! Die gefühlsvolle und doch sachliche Form der Mitteilung wichtiger Inhalte gelingt sympathisch, ohne Pathos, aber engagiert!

Buchtitel: Trauergruppen leiten. Betroffenen Halt und Sinn geben.
Reihe: Edition Leidfaden. 
AutorInnen: Müller M
Verlag: Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Erschienen: 2014

Zum Inhalt

Die Autorin war leitend in Palliativversorgung, Hospiz und Angehörigenbegleitung tätig. Sie befasst sich mit Supervision im Bereich Trauerbegleitung und mit Spiritual Care.

Die Trauergruppe sucht einen Weg aus der Isolation, Trauer soll nicht "weg getröstet" werden, sondern bestätigt werden. Der Trauergruppenleiter darf ruhig Motive haben wie Anerkennung finden, Dank bekommen, wichtig sein - er muss sich nur seiner Bedürfnisse bewusst sein. Die Autorin spricht in diesem Zusammenhang vom Mythos des guten, selbstlosen Trauergruppenleiters. Kernig formuliert sie: "Je ´selbstvoller´ ein Begleiter und Gruppenleiterin ist, umso weniger ausbeuterisch werden die Gewinnanteile der Begleitung sein." (Seite 37). Haltung ist wichtiger als Technik, wichtig ist auch das Bewusstsein, dass ein Mensch in einer Krise ist, damit aber keinesfalls hilflos oder unfähig (Seite 37). Anmerkung des Rezensenten: In psychischen Krisen, bei denen es zu einem Zusammenbruch der eigenen Kräfte, zu einer Dekompensation kommt, ist der Betroffene auf Hilfe angewiesen. Freilich kann man auch hier schrittweise darauf achten, Selbsthilfe aufzubauen. Die Autorin führt überzeugend an, dass Trauer - nicht als Krankheit, sondern als Umwandlung des Lebens zu begreifen - zu einer respektvollen, ehrfürchtigen Einstellung des Begleiters verhilft. Die in der Begleitung wach werdende eigene Beziehung zur Trauer soll nicht dazu verleiten, diese eigene Trauer einzubringen. Vor allem ist zu bedenken, dass das, was A hilft, nicht unbedingt für B gilt.

Herzstück des Buches ist ein Manual zur Trauergruppenleitung. Zunächst werden Struktur und Programmablauf der sog. Unterstützungsgruppen definiert, dann kommt es in der Folge zu 10 Gruppentreffen mit den Themen: Sich bekannt machen, die Trauer verstehen, sich erinnern, Gefühle annehmen und ausdrücken, Rollenveränderungen, Stress und Stressbewältigung, Jahrestage und Formen des Gedenkens, der andere Platz des Verlorenen, Unterstützungssysteme, Abschluss mit Auswertung und Ausblick. Die Treffen dauern zwei bis zweieinhalb Stunden und finden wöchentlich oder 14-tägig statt. Es gibt Informationen, Aufgaben. Das Gebot der strengen Vertraulichkeit existiert, Kontakte zwischen den Teilnehmern außerhalb der Treffen sind - entgegen einer gängigen Praxis - durchaus erwünscht. Die Struktur der Treffen umfasst: Zweck und inhaltliche Grundlage, benötigte Materialien, Mitteilungszeit, Gruppendynamik (hier verstanden als gegenseitige Hilfeleistung), Regeln des Umgangs miteinander und mit den erfahrenen persönlichen Mitteilungen, Bildung von Dyaden für den intensiven Austausch der Verlusterfahrung, Aufgabenformulierung und Aufgabenfestlegung bis zum nächsten Treffen. Sehr einprägsam sind die Abbildung auf Seite 78 und die Angaben auf den folgenden Seiten dazu betreffend die Trauerphasen: Schock, Protest, Desorganisation, Reorganisation, wobei alle Phasen kognitiv, affektiv und somatisch, sozial und psychodynamisch, sowie in Hinsicht auf Fürsorge und Hilfe durchleuchtet werden. Auf Seite 98ff werden kritische Ereignisse, Stressfolgen und Stressbewältigungsweisen dargestellt.

Wertvoll wären Erfahrungen (und diesbezügliche Mitteilungen) mit dem Programm. Trotz der starken, Sicherheit spendenden Durchstrukturierung kann es zu emergenten (d.h. unerwartet auftauchenden) Teilnehmer-Reaktionen kommen, das Wissen darüber engt den Raum unerwünschter Nebenwirkungen ein. Der Auswertungsfragebogen im Buch (Seite 214ff) ist ein wertvoller Baustein dafür. Der Punktevergleich bei der Stressymptomliste (Seite 118 bis 122) sollte als subjektive Einschätzung deklariert sein, im Zweifelsfall und Bedarf ist eine professionelle Meinung einzuholen - bzw. ein Feedback seitens der Gruppenleitung.

Das Buch ist sorgfältig zusammengestellt, inhaltlich überlegt und praktisch umsetzbar! Die gefühlsvolle und doch sachliche Form der Mitteilung wichtiger Inhalte gelingt sympathisch, ohne Pathos, aber engagiert!

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
24.04.2014
Link
https://www.edugroup.at/bildung/paedagogen-paedagoginnen/rezensionen/existenz-entwicklung-tod/detail/trauergruppen-leitenbetroffenen-halt-und-sinn-geben.html
Kostenpflichtig
nein