Handbuch systemische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie

Das differenzierte zehnseitige Inhaltsverzeichnis lässt eine umfassende und zugleich detaillierte Information erhoffen - und die Erwartungen werden nicht enttäuscht.


Autor:Hanswille R (Hg): 

Verlag: Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht

Erschienen: 2015

Zum Inhalt

Das Handbuch beeindruckt durch seine Wissensdichte und zugleich gute Lesbarkeit.  
Es gibt sieben Abschnitte:  1. Grundlagen systemischer Therapie (spezifische Haltungen wie Allparteilichkeit,  Lösungsorientierung, Kontextorientierung und  spezifische Settings wie Einzeltherapie, Multifamilientherapie, Therapie mit Subsystemen),  2. Besonderheiten in der therapeutischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen (systemische Beratung und Therapie von Familien mit Babys und Kleinkindern, Therapie mit Schulkkindern,  Jugendlichen, dabei auch  diffizile Themen wie Forderungen und Grenzen der Schweigepflicht,  Entscheidungshilfen bei Fragen von Freiwilligkeit und Zwang), 3. die Arbeit mit alternativen Familienkonstellationen wie z.B. Patchworkfamilien, 4.systemische Diagnostik ,  5. systemisches Arbeiten mit Symptomen und Auffälligkeiten (wie z.B. ADHS, Autismus, Trauer, Traumatisierung,  Suizidalität u. v. a. m.), 6. Methoden und Techniken (wie Arbeit mit Metaphern, Externalisierung,  Skulpturen..) und schließlich  7. Versorgungskontexte (wie Klinik, freie Praxis, Ambulanzeinrichtungen.. )

Die Fülle der auf fast 600 Seiten  ausgebreiteten Information kann nur durch einzelne Beispiele angedeutet werden. Diese Themenauswahl  ist keine Wertung.

Das Konzept der inneren Repräsentanz von Objekten,  Personen, Beziehungen erweitert den therapeutischen Spielraum: Man kann auch mit Einzelpersonen systemisch arbeiten (Seite 75).

Auf den Seiten 109 bis 129 werden verschiedene therapeutische Möglichkeiten aufgezählt wie etwa Zeichnen und Malen, Einsatz von Handpuppen, Spieltherapie. Mittendrin : Meinungsverschiedenheiten mit den Eltern. Da scheint nicht ganz dazu zu passen.  Aufklärung bringt der Hinweis, dass es sich um methodische Hinweise handelt: z.B. auf die Metaebene zu wechseln und anstatt einen Kompromiss auf der Handlungsebene anzustreben, die Umgangsweise der Familie mit Konflikten zu untersuchen, die Herstellung von Kompromissen, die Toleranz von Unterschieden etc. zu erkunden.

Während die auf Seite 505f erwähnten Gesprächsmodelle BASK und SIBAM sehr an den schon früher entwickelten  multimodalen Ansatz von A.A. Lazarus erinnern  (der allerdings unzitiert bleibt), sind die multimethodale Diagnostik und die multimodale Diagnostik originelle Zusammenstellungen: der multimethodale Ansatz führt auf Seite 215 in einem Kreis  Gespräche, Tests, Fragebögen, Verhaltensbeobachtung, projektive Verfahren und Intuition an; der multimodale Ansatz bringt auf Seite 226 ebenfalls in einem Kreis angeordnet die wichtigen Untersuchungs-Dimensionen:  Fähigkeiten, Ressourcen, außerfamiliäre Beziehungen,  Familien- Beziehungen, Persönlichkeitseigenschaften, Symptome auf Verhaltens-bzw. Gefühlsebene, Entwicklungsstand und -geschichte.

Bei den vielen verschiedenen Symptomen werden immer auch systemische Überlegungen und Ideen angefügt. So wird bei ADHS hingewiesen, dass das betroffene Kind im Kontext seiner Familie gesehen werden muss und dass der passende Rahmen für die Impulsivität und Unruhe des Kindes zu suchen ist.  Hinreichend ist diese Argumentation nicht, denn Umstände zu erzeugen, in denen das Symptom nicht mehr auffällt,  ist relativ leicht, aber die Crux liegt in der Forderung  "Im Alltag müssen die Kinder lernen, flexibel und individuell mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen zurechtzukommen." ( Seite 256) Hierfür bietet der Autor aber dann im Folgenden viele Möglichkeiten an wie etwa Gestaltung des Klassenraums, ergotherapeutische, psychomotorische Hilfen, Entspannungstrainings, Konzentrationsübungen u. v. a. m.

Einige Anregungen seien noch skizziert, z.B. selbstverletzendes Verhalten als Lösung erster Ordnung zu betrachten und daher keine zu forcierte Symptomeliminierung zu verlangen, solange noch keine Lösungsalternative vorhanden ist (Seite 319f);
nicht die Angst zu reduzieren - sie ist ein wichtiger Überlebensfaktor, sondern die Bewältigungsmöglichkeiten zu stärken (Seite 324ff);
die Betrachtung der Bulimie als eine Art Dissoziation zwischen einem disziplinierten und einem bedürfnisorientierten Anteil und diese Fähigkeit zur Dissoziation therapeutisch zu nutzen.

Kapitel 6 ist eine Fundgrube wichtiger systemischer Methoden und Zugangsweisen.

Die Berührungszonen zu hypnotherapeutischen bzw. auch kurztherapeutischen Ansätzen zeigen sich u. a. in der Verwendung verbaler Kreationen wie  Problemtrance, Symptomkompetenz, Entpathologisierung, Hypothesenlandschaft.

Das Handbuch, das noch viel mehr bietet,  als in einer Rezension aufscheinen kann, ist eine Bereicherung für jeden therapeutisch tätigen oder therapeutisch interessierten Menschen!

Das Buch und seine Kapitel  wurden  im Geleitwort mit Geschwisterbeziehungen in einer Familie verglichen. Eine andere Metapher sind die Kinderzimmer, die von den Autoren unterschiedlich möbliert werden, allesamt aber eine beziehungsfreundliche und zugleich funktional durchdachte Innenarchitektur aufweisen!

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
10.02.2015
Link
https://www.edugroup.at/bildung/paedagogen-paedagoginnen/rezensionen/detail/handbuch-systemische-kinder-und-jugendlichenpsychotherapie.html
Kostenpflichtig
nein